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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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sich an diesem Tage viel besser, Natalie war bei ihm, und Sonja wurde im Nebenzimmer von Neugierde gequält, was Andree und Natalie sprachen, deren Stimmen sie durch die Tür hörte. Natalie kam mit erregter Miene heraus und führte Sonja in ein leeres Zimmer.
    »Sonja, wird es sein? Wird er am Leben bleiben?« fragte sie. »Ach, wie glücklich bin ich und wie unglücklich! Sonja, mein Täubchen – es ist alles wieder wie früher, wenn er nur am Leben bleibt!« Natalie brach in Tränen aus.
    »Nun ja, ich wußte es ja, Gott sei Dank!« sagte Sonja. »Er wird am Leben bleiben!« Sonja war nicht weniger erregt als Natalie; küßte sie und suchte sie zu trösten. »Wenn er nur am Leben bleibt!« dachte sie beständig.
    An diesem Tage bot sich eine Gelegenheit, Briefe an die Armee abzuschicken, und die Gräfin schrieb an ihren Sohn.
    »Sonja«, sagte sie, als ihre Nichte vorüberging, »Sonja, du schreibst nicht an Nikolai?« Ihre Stimme zitterte und in dem Blick ihrer müden Augen las Sonja Flehen und Furcht vor einer Weigerung, aber auch Beschämung darüber, daß sie bitten mußte, und drohenden, unversöhnlichen Haß im Falle der Weigerung.
    Sonja ging auf die Gräfin zu, ließ sich vor ihr auf die Knie nieder und küßte ihr die Hand.
    »Ich werde schreiben!« sagte sie.
    Sonja war weich gestimmt durch alles, was an diesem Tage vorging, und jetzt, wo sie wußte, daß im Falle einer Erneuerung der Beziehungen Natalies zum Fürsten Andree Nikolai die Fürstin Marie nicht heiraten konnte, empfand sie mit freudigem Gefühl wieder jene Bereitschaft zur Selbstaufopferung, an die sie seit langen Jahren gewöhnt war, und unter strömenden Tränen, im freudigen Bewußtsein, daß sie eine edle Tat vollbrachte, schrieb sie jenen rührenden Brief an Nikolai.

214
    Auf der Hauptwache, wohin Peter geführt wurde, benahmen sich der Offizier und die Soldaten feindlich gegen ihn, zugleich aber auch rücksichtsvoll, solange sie noch im Zweifel waren, ob er nicht vielleicht eine wichtige Persönlichkeit sei.
    Aber als am folgenden Morgen die Ablösung kam, wurde Peter eine Veränderung fühlbar. Die Leute sahen in diesem großen, dicken Menschen im Bauernrock nicht mehr jenen energischen Mann, der so verzweifelt mit dem Marodeur und der Patrouille gekämpft und die feierlichen Worte über die Rettung des Kindes gesprochen hatte, sondern sie sahen in ihm nur noch den siebzehnten der auf Befehl verhafteten Russen. Nur durch sein schüchternes, nachdenkliches Wesen und seine Kenntnis der französischen Sprache war er von den anderen verschieden. Aber an demselben Tage wurde er zu den übrigen Gefangenen verwiesen, da das besondere Zimmer, das er einnahm, für den Offizier nötig war.
    Alle verhafteten Russen waren Leute der niedrigsten Stände, alle erkannten in Peter einen Barin (Herrn) und hielten sich von ihm fern, um so mehr, weil er Französisch sprach. Am andern Tage erfuhr Peter, daß alle wegen Brandstiftung vor Gericht gestellt werden sollten. Am dritten Tage wurde Peter mit den anderen in ein benachbartes Haus geführt, wo ein französischer General mit weißem Schnurrbart, zwei Obersten und andere Franzosen saßen. Man stellte an ihn in scheinbar herablassendem Tone die gewöhnlichen Fragen, wer er sei, und so weiter, welche nur den Zweck hatten, die Schleuse zu öffnen, durch welche nach dem Willen der Richter die Antworten der Angeklagten herausfließen sollten, um zu dem erwünschten Ziel, das heißt zur Überführung zu führen. Peter empfand dasselbe, was alle Angeklagten vor irgendeinem Gericht empfinden, nämlich Verwunderung darüber, warum man ihm diese Fragen stellte. Er wußte, daß er sich in der Gewalt dieser Leute befand, daß nur die Gewalt ihn hierhergeführt hatte, daß nur die Gewalt ihnen das Recht gab, Antworten auf Fragen zu verlangen, deren einziger Zweck war, ihn zu überführen, und deshalb waren diese Fragen unnötig, da doch nun einmal der Wunsch, zu überführen, und auch die Gewalt dazu vorhanden waren. Auf die Frage, was er gemacht habe, als er ergriffen worden sei, erwiderte Peter in tragischem Ton, er sei im Begriff gewesen, den Eltern das Kind zu bringen, das er aus den Flammen gerettet habe. Warum er sich mit dem Marodeur geschlagen habe, fragte man, und Peter antwortete, er habe eine Frau verteidigt, und es sei die Verpflichtung jedes Mannes, eine beleidigte Frau zu verteidigen, und ... Er wurde unterbrochen, das gehöre nicht zur Sache. Auf die Frage, warum er in dem Hof des brennenden

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