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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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auch damals, wie jetzt, nur für diejenigen Menschen, die in der Ehe nur das Vergnügen sehen, das die Eheleute gegenseitig voneinander erwarten, das heißt nur den Anfang der Ehe, aber nicht ihre ganze Bedeutung, die in der Familie liegt. Diese Ideen und jetzigen Fragen, ähnlich der Frage danach, wie man am meisten Vergnügen vom Mittagessen erhalten könne, bestanden damals so wenig, wie auch heute, für Leute, die als den Zweck des Essens die Ernährung und als den Zweck der Ehe die Familie ansehen. Wenn der Zweck des Essens die Ernährung ist, so wird derjenige, der zwei Mahlzeiten auf einmal verschlingt, vielleicht größeres Vergnügen genießen, aber nicht den Zweck erreichen, weil der Magen nicht zwei Mahlzeiten verdaut. Wenn der Zweck der Ehe die Familie ist, so wird der, welcher nach vielen Frauen und Männern verlangt, vielleicht mehr Genuß, in keinem Fall aber eine Familie haben.
    Es handelt sich also nur darum, nicht mehr zu essen, als man verdauen kann, und nicht mehr Frauen und Männer zu haben, als nötig sind zu einer Familie, daß heißt eine oder einen. Natalie hatte einen Mann nötig, der Mann wurde ihr gegeben, und der Mann gab ihr eine Familie, und nun hatte sie nicht nur kein Bedürfnis nach einem anderen, besseren Mann, sondern da alle ihre Geisteskräfte darauf gerichtet waren, diesem Manne und der Familie zu dienen, so empfand sie gar kein Interesse für die Vorstellung, was gewesen wäre, wenn sie einen anderen Mann gehabt hätte.
    Natalie liebte nicht die Gesellschaft, jetzt aber um so mehr die Gesellschaft der Verwandten.
    Sie ließ sich so sehr gehen, daß ihr Kostüm und die Frisur, ihre nachlässig hingeworfenen Worte, ihre Eifersucht auf Sonja, auf die Gouvernante, auf jede hübsche und nicht hübsche Dame zum Gegenstand der allgemeinen Heiterkeit wurden. Eben diese Meinung war, daß Peter unter dem Pantoffel seiner Frau stehe, und das war auch wirklich so. Schon in den ersten Tagen ihrer Ehe hatte Natalie ihre Ansprüche ausgesprochen. Peter war sehr verwundert über diese ihm ganz neue weibliche Anschauung, die nichts anderes verlangte, als daß jede Minute seines Lebens ihr und der Familie gehören müsse. Er war verwundert über dieses Verlangen seiner Frau, fühlte sich aber dadurch geschmeichelt und unterwarf sich.
    Seine Unterwerfung bestand darin, daß er nicht wagen durfte, mit einer anderen Dame lächelnd zu sprechen, geschweige denn ihr den Hof zu machen, daß er nicht in den Klub oder zu Diners gehen durfte, um sich die Zeit zu verkürzen, daß er kein Geld für sein Vergnügen ausgeben und nicht auf lange Zeit verreisen durfte, kurze Geschäftsreisen ausgenommen, unter die seine Frau auch seine wissenschaftlichen Beschäftigungen einschloß, von welchen sie nichts verstand, denen sie aber große Wichtigkeit zuschrieb. Dafür aber stand es Peter ganz frei, zu Hause nicht nur über sich selbst, sondern über die ganze Familie frei zu verfügen. Natalie stellte sich zu Hause auf den Fuß einer Sklavin ihres Mannes, und das ganze Haus ging auf den Zehenspitzen, wenn Peter in seinem Kabinett las oder schrieb. Wenn Peter nur irgendeine Vorliebe für irgend etwas zeigte, oder einen Wunsch ausdrückte, so ruhte Natalie nicht eher, bis sie ihn befriedigt hatte.
    Das ganze Haus wurde nur nach den angeblichen Befehlen des Mannes, das heißt nach den Wünschen Peters regiert, die Natalie zu erraten suchte. Die Lebensweise, der Aufenthaltsort, die Beschäftigung Natalies, die Erziehung der Kinder – alles geschah nicht nur nach dem ausgesprochenen Willen Peters, sondern Natalie bemühte sich auch, aus flüchtigen Bemerkungen Peters seinen Willen zu erraten, und wenn sie ihn erraten hatte, so hielt sie sich unerschütterlich daran und bekämpfte sogar Peter selbst, wenn er an diesen Wünschen etwas ändern wollte.
    So hatte er ihr einmal die Gedanken Rousseaus über die Unnatürlichkeit und Schädlichkeit des Ammenwesens mitgeteilt, und von dieser Zeit an nährte sie alle Kinder selbst, obgleich ihre Mutter und die Ärzte diesen Einfall als etwas Unerhörtes bekämpften. Sehr oft fand Peter zu seiner Verwunderung, nach einer Meinungsverschiedenheit mit seiner Frau, daß sie nicht nur in Worten, sondern auch in Taten denselben Gedanken vertrat, den sie ihm gegenüber bekämpft hatte. Nach siebenjähriger Ehe hatte Peter die freudige Überzeugung, daß er kein schlechter Mensch sei, und er fühlte das deshalb, weil er in seiner Frau sein Spiegelbild erblickte. In sich selbst empfand

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