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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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ersten Zeit der innerlichen Arbeit der Selbstvervollkommnung widmete – nach der Verlobung des Fürsten Andree mit Natalie und nach dem Tode von Joseph Alexejewitsch hatte dieses Leben plötzlich allen Reiz für ihn verloren. Er hörte auf, sein Tagebuch zu führen, mied die Gesellschaft der Freimaurer, besuchte wieder den Klub, trank viel, schloß sich wieder an leichtsinnige Lebemänner an und führte ein solches Leben, daß seine Frau nötig fand, ihm ernste Vorwürfe zu machen. Peter fühlte, daß sie im Recht war, und um seine Frau nicht zu kompromittieren, reiste er nach Moskau.
    Sobald er in Moskau seinen großen Palast mit den vertrockneten Fürstinnen und der großen Dienerschaft betrat, fühlte er sich ruhig und behaglich wie in einem altgewohnten, schmutzigen Schlafrock. Von der Gesellschaft wurde er freudig empfangen. Für die Moskauer Welt war Peter der liebenswürdigste, gutherzigste, klügste, heiterste und großherzigste Sonderling, ein echt russischer großer Herr nach alter Art. Seine Börse war immer leer, weil sie allen offen stand. Benefize, schlechte Gemälde und Statuen, Wohltätigkeitsgesellschaften, Zigeuner, Schulen, Festessen, Gelage, Kirchen, Bücher – nichts und niemand wurde abgewiesen, und wenn er nicht zwei Freunde gehabt hätte, welche viel Geld von ihm entlehnten und ihn unter ihre Vormundschaft nahmen, so hätte er alles weggegeben. Er versäumte kein Diner, keine Abendgesellschaft im Klub. Sowie er nur seinen gewohnten Platz auf einem Diwan einnahm, nach den ersten beiden Flaschen Margaux, bildete sich eine Gruppe um ihn, in welcher Gespräch, Streit und Scherzreden nicht aufhörten. Wenn er sich nach dem Abendessen mit gutmütigem Lächeln erhob, um der Bitte der lustigen Gesellschaft, mitzufahren zu entsprechen, wurde er mit Freudenrufen fortgeführt. Er tanzte auf den Bällen, wenn es an Tänzern fehlte. Die jungen Damen liebten ihn dafür, weil er, ohne ihnen den Hof zu machen, gegen alle gleich liebenswürdig war, besonders nach dem Abendessen.
    »Er ist entzückend und hat kein Geschlecht«, sagten sie unter sich auf französisch.
    Wie hätte er sich entsetzt, wenn man ihm vor sieben Jahren, als er eben aus dem Ausland zurückkam, gesagt hätte, er brauche nichts zu suchen und zu denken, sondern nur sich im längst vorgezeichneten Geleise fortzubewegen, und wie er sich auch drehen möge, er werde immer ebenso sein, wie alle in seiner Lage. Er hätte nicht daran glauben können! Hatte er nicht damals von ganzer Seele gewünscht, die Republik in Rußland einzuführen, bald Napoleon, bald ein Philosoph, bald ein Taktiker, der Besieger Napoleons zu sein? Hatte er nicht die Überzeugung von der Möglichkeit und den glühenden Wunsch gehegt, das lasterhafte Menschengeschlecht zu bessern und für sich selbst die höchste Stufe der Vollkommenheit zu erreichen? Hatte er nicht Schulen und Krankenhäuser errichtet und seine Bauern freigelassen?
    Statt dessen war er jetzt der reiche Gemahl einer untreuen Frau, ein Feinschmecker und Trinker, der über die Obrigkeit murrte, ein allgemein beliebtes Mitglied des englischen Klubs von Moskau und der moskauischen Gesellschaft überhaupt. Lange konnte er sich nicht mit dem Gedanken versöhnen, daß er jetzt nichts weiter als ein verabschiedeter Kammerherr sei und diesem Typus angehöre, den er vor sieben Jahren so tief verachtet hatte.
    Er wurde nicht mehr wie früher von Augenblicken der Verzweiflung und des Lebensüberdrusses befallen; aber dieselbe Krankheit, die sich früher in scharfen Anfällen äußerte, lag in ihm und verließ ihn keinen Augenblick. »Wozu? Warum? Was geht in der Welt vor?« fragte er sich oftmals am Tage. Er wußte aus Erfahrung, daß es auf diese Fragen keine Antwort gab, und griff dann hastig zu einem Buch, um sich davon loszumachen, oder er eilte in den Klub.
    »Helene, welche niemals etwas geliebt hat außer ihrem eigenen Körper«, dachte Peter, »und eine der dümmsten Frauen in der Welt ist, erscheint den Leuten begabt mit Geist und der höchsten Verfeinerung, und alles verneigt sich vor ihr. Napoleon wurde von allen verachtet, bis er eines Tages ein großer Mann war. Die Spanier sandten Dankgebete zum Himmel durch ihre katholischen Priester dafür, daß sie am 14. Juni die Franzosen besiegt haben, die Franzosen aber sandten durch dieselbe katholische Geistlichkeit Dankgebete nach oben dafür, daß sie am 14. Juni die Spanier besiegt haben. Meine Brüder, die Freimaurer, schwören, sie seien bereit, alles für

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