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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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darauf vorzubereiten, konnte nicht ausgeführt werden und die Sache erschien im Gegenteil ganz hoffnungslos. Die Erwähnung der Gräfin Rostow brachte den alten Fürsten außer sich, welcher meist in böser Laune war. Zu ihrem Schrecken bemerkte Marie auch, wenn sie den kleinen Nikolai unterrichtete, daß sie die Reizbarkeit ihres Vaters geerbt hatte. Bei der geringsten Unaufmerksamkeit des Kleinen fuhr sie auf, geriet in Hitze, zog ihn zuweilen an der Hand und stellte ihn in die Ecke. Dann aber begann sie über sich selbst und ihre böse Natur zu weinen, und der Kleine kam ohne Erlaubnis aus seiner Ecke heraus und begann sie zu trösten. Am meisten Kummer aber machte ihr die böse Laune ihres Vaters, die sich in letzter Zeit bis zur Grausamkeit steigerte und immer gegen die Tochter gerichtet war. Dazu kam in letzter Zeit noch ein neuer Zug, der Marie mehr als alles übrige ängstigte – seine Annäherung an Mademoiselle Bourienne. Seine Drohung, sie zu heiraten, wenn Fürst Andree heirate, gefiel ihm augenscheinlich sehr.
    Einmal küßte der alte Fürst Mademoiselle Bourienne die Hand in Gegenwart von Marie, dann zog er sie an sich und umarmte sie. Marie fuhr auf und lief aus dem Zimmer. Kurz darauf kam Mademoiselle Bourienne zu ihr und erzählte ihr lächelnd etwas mit ihrer angenehmen Stimme. Marie wischte hastig die Tränen ab, trat auf sie zu und schrie sie zornig an. »Das ist niedrig! Abscheulich! Unmenschlich! Die Schwachheit zu benutzen ...« Sie sprach nicht zu Ende. »Hinaus aus meinem Zimmer!« rief sie und brach in Tränen aus.
    Am andern Tag sagte der Fürst seiner Tochter kein Wort, aber sie bemerkte, daß er beim Mittagessen die Speisen zuerst Mademoiselle Bourienne reichen ließ. Nach Tisch, als der Diener wie gewöhnlich wieder den Kaffee zuerst Marie reichte, geriet der Fürst plötzlich in Wut, schlug mit dem Krückstock nach Philipp und befahl sofort, ihn unter die Soldaten abzugeben.
    »Man hört nicht!... Zweimal habe ich's gesagt... Sie ist die erste in diesem Haus! Sie ist meine beste Freundin!« schrie der Fürst. »Und wenn du dir erlaubst, noch einmal wie gestern frech zu werden gegen sie, so werde ich dir zeigen, wer Herr im Hause ist. Fort aus meinen Augen! Bitte sie um Verzeihung!«
    Fürstin Marie bat Mademoiselle Bourienne und den Vater um Verzeihung für sich und den Diener, welcher um ihre Fürsprache gebeten hatte.
    »Er ist alt und schwach, und ich sollte ihn verurteilen?« dachte sie mit Abscheu gegen sich selbst.

113
    Im Jahre 1811 lebte in Moskau ein französischer Arzt namens Metivier, der schnell in Mode kam und in der höchsten Gesellschaft nicht nur als Arzt, sondern auch als Gleichstehender empfangen wurde. Der alte Fürst welcher die Medizin verlachte, hatte in letzter Zeit auf den Rat von Mademoiselle Bourienne diesen Arzt zu sich gerufen und sich an ihn gewöhnt. Metivier kam allwöchentlich ein- oder zweimal zum Fürsten.
    Am Namenstag des Fürsten drängte sich ganz Moskau an der Einfahrt seines Hauses. Aber er ließ niemand vor. Er übergab Marie ein Verzeichnis einiger weniger Personen, welche zu Tisch eingeladen werden sollten. Metivier kam am Morgen, um zu gratulieren. Der Alte war sehr schlechter Laune und ging zänkisch im Hause umher. Fürstin Marie kannte diesen Zustand, welcher gewöhnlich mit einem Wutausbruch endigte, und erwartete wie vor einem geladenen Gewehr mit gespanntem Hahn den ganzer Morgen über den unvermeidlichen Schuß. Bis zur Ankunft des Doktors ging alles gut. Marie saß mit einem Buch im Salon, aus welchem sie hören konnte, was im Kabinett vorging. Anfangs hörte sie nur Metiviers Stimme, dann die ihres Vaters und endlich sprachen beide zugleich. Die Tür wurde aufgerissen, und auf der Schwelle erschien Metivier und die Gestalt des Fürsten mit Nachtmütze und Schlafrock und von Wut verzerrtem Gesicht.
    »Du verstehst nicht?« schrie der Fürst. »Aber ich verstehe! Französischer Spion! – Kreatur von Bonaparte! – Spion! Hinaus aus meinem Hause, sage ich!« Und er schlug die Tür zu. Metivier zuckte mit den Achseln.
    »Der Fürst ist nicht ganz wohl! – Galle und Blutandrang nach dem Kopf. – Beunruhigen Sie sich nicht, ich komme morgen wieder!«
    »Spion! Betrüger! Überall Betrüger! Im eigenen Hause hat man keine Minute Ruhe!« schrie der Alte in seinem Zimmer.
    Nachdem Metivier gegangen war, rief der alte Fürst seine Tochter zu sich und seine ganze Wut entlud sich über sie. Sie war an allem schuld. Er hatte ja gesagt, man

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