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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Lebemännern Moskaus, trank ganze Nächte durch, mehr als alle andern, und besuchte alle Abendgesellschaften und Bälle der höchsten Welt. Man sprach von einigen Intrigen mit moskauischen Damen, und auf den Bällen machte er mehreren den Hof, aber er suchte keine Annäherungen an Mädchen, besonders reiche Erbinnen, welche nicht häßlich waren, um so weniger, als Anatol, wie niemand außer seinen nächsten Freunden wußte, seit zwei Jahren verheiratet war. Als sein Regiment in Polen stand, hatte ein armer, polnischer Edelmann ihn veranlaßt, seine Tochter zu heiraten. Anatol hatte sehr bald seine Frau verlassen, und von seinem Schwiegervater, dem er sich verpflichtete, Geld zu senden, sich dafür das Recht ausbedungen, als unverheiratet zu gelten.
    Anatol war immer zufrieden mit seiner Lage, mit sich selbst und mit andern. Er war fest überzeugt davon, daß er nicht anders leben könne, als wie er lebte, und daß er niemals im Leben etwas Schlimmes tun könne. Er war überzeugt, daß, wie die Ente dazu geschaffen ist, immer im Wasser zu leben, so auch er von Gott dazu geschaffen sei, dreißigtausend Rubel jährlich zu verleben und immer die höchsten Stellungen in der Gesellschaft einzunehmen. Er war so fest davon überzeugt, daß auch andere daran glaubten und ihm weder die höchste Stellung noch Geld verweigerten, das er augenscheinlich, ohne an das Zurückgeben zu denken, von allen entlehnte.
    Dolochow war in diesem Jahr wieder in Moskau erschienen nach allen seinen Abenteuern und führte ein leichtsinniges Spielerleben. Anatol liebte Dolochow wegen seines Geistes und seiner Begabung, Dolochow aber, welcher einen Namen und Vornehmheit und die Verbindung Anatols nötig hatte als Köder, um junge Leute zu seiner Spielergesellschaft anzulocken, schloß sich eng an Kuragin an, benutzte ihn und machte sich über ihn lustig.
    Natalie hatte einen starken Eindruck auf Kuragin gemacht. Beim Abendessen nach dem Theater hatte er Dolochow mit Kennermiene ihre Hände, Schultern, Füße und Haare beschrieben und seinen Entschluß ausgesprochen, ihr den Hof zu machen. Was daraus folgen werde, daran dachte Anatol nicht. Er wußte überhaupt nie, was irgendeine seiner Handlungen zur Folge haben werde.
    »Hübsch ist sie, aber nicht für uns!« sagte Dolochow.
    »Ich werde meiner Schwester sagen, sie soll sie zu Tisch einladen«, erwiderte Anatol. »Nun, was denkst du?«
    »Warte lieber, bis sie verheiratet ist.«
    »Du weißt«, erwiderte Anatol, »ich ziehe junge Mädchen vor, sie sind leichter konfus zu machen.«
    »Mit einem Mädchen bist du schon einmal hineingefallen. Nimm dich in acht!«
    »Nun, zweimal passiert mir das nicht«, erwiderte Anatol mit gleichmütigem Lachen.

122
    Am folgenden Tag blieben Rostows zu Hause und es kam auch niemand zum Besuch. Maria Dmitrijewna sprach heimlich mit dem Grafen, und Natalie erriet mit Verdruß, daß sie von dem alten Fürsten sprachen, daß sie etwas zu tun beabsichtigten. Sie erwartete jeden Augenblick den Fürsten Andree und sandte zweimal täglich Diener nach dem Postgebäude, um sich zu erkundigen, ob er noch nicht gekommen sei.
    Er kam nicht, und sie fühlte sich jetzt mehr von Schwermut bedrückt als in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft. Sie fürchtete, er werde niemals kommen, oder noch vor seiner Ankunft werde ihr etwas zustoßen. Wenn sie an ihn dachte, so erwachte sogleich auch die Erinnerung an ihren Besuch bei dem alten Fürsten, an Marie, an das Theater und an Kuragin. Den Hausgenossen erschien Natalie lebhafter als gewöhnlich, aber sie war nicht mehr so ruhig und glücklich wie zuvor. Am Sonntag führte Marie Dmitrijewna ihre Gäste zur Frühmesse, als sie zurückkamen, fanden sie die Modistin, Madame Chalmé, vor. Natalie wurden neue Kleider angemessen und anprobiert, was ihr eine willkommene Unterbrechung war. Während sie vor dem Spiegel stand, um zu sehen, ob der Rücken gut sitze, vernahm sie im Salon eine lebhafte Unterhaltung ihres Vaters mit einer weiblichen Stimme. Es war die Stimme Helenes. Die Tür öffnete sich, und die Gräfin Besuchow trat strahlend mit freundlichem Lächeln, im dunkelroten Sammetkleid mit hohem Kragen, ein.
    »Reizend«, sagte sie zu der errötenden Natalie. »Nein, das ist nicht zu verantworten, Graf, in Moskau zu leben und niemand zu besuchen! Heute abend wird Mamsell Georges bei mir deklamieren, und wenn Sie nicht Ihre Schönheiten mitbringen, welche noch hübscher sind als Mamsell Georges, so will ich Sie nicht mehr kennen. Mein

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