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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Mann ist nicht da, er ist nach Iwer gefahren, sonst hätte ich ihn zu Ihnen gesandt.« Sie schwatzte fortwährend heiter und freundschaftlich und bewunderte fortwährend die Schönheit Natalies.
    Natalie lächelte vergnügt und fühlte sich beinahe verliebt in diese schöne und liebenswürdige Frau. Helene war gekommen, weil Anatol sie gebeten hatte, ihn mit Natalie zusammenzuführen, ein Auftrag, von dessen Ausführung sie sich viel Vergnügen und Unterhaltung versprach. Obgleich sie früher Natalie grollte, weil sie ihr in Petersburg Boris entfremdet hatte, dachte sie jetzt nicht mehr daran und wünschte Natalie von Herzen nur Gutes. Ehe sie abfuhr, rief sie ihren Schützling beiseite.
    »Gestern hat mein Bruder bei mir gespeist. Wir wollten sterben vor Lachen! Er ißt nichts und seufzt nach Ihnen! Er ist wahnsinnig in Sie verliebt.«
    Natalie errötete tief bei diesen Worten.
    »Wie sie errötet! Entzückend!« sagte Helene. »Aber kommen Sie jedenfalls! Daß Sie jemand lieben, ist doch kein Grund, sich einzuschließen! Und ich bin überzeugt, Ihr Bräutigam kann auch nicht wünschen, daß Sie vor Langeweile sterben.«
    »Sie weiß also, daß ich Braut bin«, dachte Natalie. »Sie hat jedenfalls mit ihrem Mann, mit dem rechtschaffenen Peter darüber gesprochen und gelacht. Es ist also ganz unbedenklich.« Und unter dem Einfluß Helenes erschien ihr wieder alles einfach und natürlich, was ihr früher schrecklich erschienen war.
    Maria Dmitrijewna kam zu Tisch nach Hause. Sie war schweigsam und ernst und schien mit dem alten Fürsten einen Zusammenstoß gehabt zu haben. Sie war noch zu sehr aufgeregt, um die Sache ruhig erzählen zu können. Auf die Frage des Grafen erwiderte sie, es sei alles gut und sie werde morgen erzählen. Über den Besuch der Gräfin Besuchow und die Einladung zu ihrer Abendgesellschaft sagte Maria Dmitrijewna: »Ich liebe nicht, mit dieser Frau umzugehen und rate es euch auch nicht. Aber wenn du es versprochen hast, so fahre hin, mein Kind, das wird dich zerstreuen.«

123
    Graf Rostow führte die Mädchen zur Gräfin Besuchow. Es waren ziemlich viele Gäste zugegen, die aber Natalie fast alle unbekannt waren. Der alte Graf bemerkte mit Mißvergnügen, daß die ganze Gesellschaft fast ausschließlich aus Herren und Damen bestand, die durch ihre freie Lebensweise bekannt waren. In einer Ecke stand Mamsell Georges, umgeben von jungen Leuten, und noch einige Franzosen waren zugegen, darunter auch Metivier. Der Graf beschloß, sich nicht an den Kartentisch zu setzen und die Mädchen nicht zu verlassen, und nach Hause zu fahren, sobald die Vorstellung von Mamsell Georges zu Ende sein werde.
    Anatol hatte augenscheinlich bei der Tür Rostows Eintritt erwartet. Er begrüßte sogleich den Grafen, trat auf Natalie zu und folgte ihr nach. Natalie empfand wieder, wie im Theater, Vergnügen darüber, daß sie ihm gefiel. Helene empfing Natalie strahlend und rühmte laut ihre Schönheit und ihre Toilette. Bald darauf verließ Mamsell Georges das Zimmer, um sich umzukleiden.
    Es wurden Stühle in Reihen aufgestellt und die Gesellschaft nahm Platz. Anatol brachte für Natalie einen Stuhl herbei und wollte sich neben sie setzen. Aber der Graf, der keinen Blick von Natalie abwandte, kam ihm zuvor, und Anatol setzte sich hinter sie.
    Bald erschien Mamsell Georges mit entblößten, dicken Armen mit Grübchen. Sie hatte einen roten Schal über die eine Schulter geworfen und blickte streng und düster die Zuhörer an. Dann deklamierte sie einige französische Verse, worin von ihrer verbrecherischen Liebe zu ihrem Sohne die Rede war. Zuweilen erhob sie die Stimme, an andern Stellen flüsterte sie und erhob feierlich den Kopf, zuweilen verstummte sie, keuchte und riß die Augen auf.
    »Entzückend! Wunderbar!« riefen alle Zuhörer. Natalie sah die dicke Dame an, hörte und sah, verstand aber nichts von allem, was vorging. Sie fühlte sich wieder ganz in jener fremden Welt, in der man nicht wissen konnte, was gut und böse, was vernünftig, was unsinnig ist.
    »Wie schön sie ist!« sagte Natalie zu ihrem Vater, welcher mit den andern aufstand und durch die Menge sich nach der Schauspielerin drängte.
    »Wenn ich Sie sehe, finde ich das nicht«, sagte Anatol, welcher Natalie nachfolgte. Er sprach so, daß niemand seine Worte hören konnte. »Sie sind bezaubernd! Vom ersten Augenblick an, wo ich Sie sah, habe ich nicht aufgehört ...«
    »Komm, komm, Natalie!« sagte der Graf, als er zu seiner Tochter

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