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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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freudiger Erregung fühlte Marie seinen Blick, und ihre Lieblingssonate versetzte sie in poetische Stimmung. Obgleich Anatols Blicke auf sie gerichtet waren, bezogen sie sich doch nicht auf sie, sondern auf die Bewegung des Füßchens von Mademoiselle Bourienne, das er unter dem Fortepiano mit seinem Fuß berührte. Auch Fräulein Bourienne blickte nach der Fürstin hin, und in ihren schönen Augen lag ein Ausdruck des freudigen Erschreckens und der Hoffnung, welcher der Fürstin Marie noch neu war.
    »Wie sie mich liebt!« dachte Marie. »Wie glücklich bin ich jetzt, und wie glücklich kann ich mit einer solchen Freundin und einem solchen Manne sein!«
    Als man sich nach dem Abendessen trennte, küßte Anatol die Hand der Fürstin. Ohne zu wissen, woher sie die Kühnheit nahm, blickte sie mit ihren kurzsichtigen Augen gerade in das schöne Gesicht, das sich ihr näherte. Dann ergriff er die Hand von Fräulein Bourienne, welche zusammenfuhr und erschreckt nach der Fürstin blickte. Es war unschicklich von seiner Seite; aber er tat alles so einfach und mit solcher Unbefangenheit.
    »Welches Zartgefühl!« dachte Marie. »Glaubt sie vielleicht, ich werde eifersüchtig sein und ihre zärtliche Ergebenheit für mich nicht zu schätzen wissen?« Sie ging auf Fräulein Bourienne zu und küßte sie innig. Anatol wollte die Hand der kleinen Fürstin ergreifen.
    »Nein, nein! Erst wenn Ihr Vater mir schreibt, daß Sie sich gut aufführen, werde ich. Ihnen erlauben, meine Hand zu küssen, nicht früher!« Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger und verließ lachend das Zimmer.

47
    Außer Anatol vermochten alle in dieser Nacht lange nicht einzuschlafen.
    »Soll er wirklich mein Mann sein, dieser fremde, schöne, gute Mann?« dachte Marie und eine Angst überfiel sie. Sie fürchtete sich. Hinter dem Bettschirm in der dunklen Ecke schien etwas zu stehen, und dieses Etwas war dieser Mann mit der weißen Stirn und den schwarzen Augenbrauen, Sie rief die Zofe und bat sie, bei ihr im Zimmer zu schlafen.
    Mademoiselle Bourienne ging an diesem Abend lange im Wintergarten auf und ab und erwartete jemand. Bald lächelte sie jemand zu, bald vergoß sie Tränen bei den Worten »meine arme Mutter!«
    Die kleine Fürstin war ärgerlich über ihre Zofe, weil das Bett schlecht gemacht war. Sie saß im Schlafrock mit der Haube in einem Lehnstuhl, während Mascha mit verschlafenem Gesicht und zerzaustem Zopf zum drittenmal das Bett aufschüttelte.
    Auch der alte Fürst schlief nicht. Tichon hörte im Halbschlummer, wie er zornig pfiff und auf und ab ging. Der alte Fürst fühlte sich beleidigt in seiner Tochter, die er mehr als sich selbst liebte.
    »Kaum kommt der erste beste, so wird der Vater und alles vergessen. Sie läuft hinauf, frisiert sich, freut sich, den Vater zu verlassen! Und sie wußte doch, daß ich das bemerken werde. Als ob ich nicht sehe, daß dieser Schlingel nur nach der Bourienne sieht! Soll ich sie fortjagen? Aber wenn Marie für sich keinen Stolz hat, sollte sie ihn wenigstens für mich haben! Man muß ihr beweisen, daß dieser Dummkopf nicht an sie denkt und nur nach der Bourienne sieht.«
    Der alte Fürst wußte wohl, daß sein Spiel gewonnen war, wenn er der Tochter sagte, sie täusche sich, und Anatol wolle nur der Bourienne den Hof machen. Dabei beruhigte er sich, rief Tichon und begann sich auszukleiden.
    Obwohl zwischen Anatol und Mademoiselle Bourienne nichts gesprochen worden war, hatten sie einander doch vollkommen verstanden. Sie wußten, daß sie einander viel im geheimen zu erzählen hatten und suchten vom frühen Morgen an sich heimlich zu treffen. Zu der Zeit, als Marie zur gewohnten Stunde zu ihrem Vater ging, fanden sich Mademoiselle und Anatol im Wintergarten. Die Fürstin Marie betrat an diesem Morgen mit besonderer Besorgnis das Kabinett ihres Vaters. Aber der alte Fürst war außerordentlich freundlich gegen sie. Es war jene Freundlichkeit, die Marie wohl kannte, die auf seinem Gesicht erschien, wenn seine trockenen Hände sich vor Ärger zu Fäusten ballten, weil Marie die arithmetische Aufgabe nicht begreifen konnte. Er kam sogleich zur Sache und redete sie mit »Sie« an.
    »Man hat mir einen Antrag gemacht in bezug auf Sie«, sagte er mit gezwungenem Lächeln. »Ich denke, Sie werden erraten haben, daß Fürst Wassil nicht meiner schönen Augen wegen mit seinem Zögling hierhergekommen ist? Gestern hat man mir einen Antrag gemacht, und da Sie meinen Grundsatz kennen, habe ich alles Ihnen

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