Krieg und Frieden
vorbehalten.«
»Wie soll ich das verstehen, Väterchen?« sagte Marie erbleichend und errötend.
»Verstehen?« rief zornig der Alte. »Fürst Wassil hielt dich für eine Schwiegertochter nach seinem Geschmack, und macht dir einen Heiratsantrag für seinen Zögling! Was ist da zu verstehen? Und jetzt will ich hören, was du darüber sagst.«
»Ich weiß nicht, Väterchen, wie Sie denken«, flüsterte Marie.
»Ich? Ich? Was habe ich damit zu tun? Lassen Sie mich ganz beiseite; ich will ihn nicht heiraten! Aber was Sie sagen, das möchte ich wissen.«
Die Fürstin sah, daß ihr Vater die Sache nicht günstig ansah, aber der Gedanke erwachte in ihr, daß jetzt oder niemals ihr Lebensschicksal sich entscheiden werde. Sie vermied den Blick ihres Vaters, unter dessen Einfluß sie nicht denken, sondern nur sich unterwerfen konnte.
»Ich wünsche nur eins, Ihren Willen zu erfüllen«, sagte sie.
»Prächtig«, unterbrach sie der Fürst, »er nimmt dich mit der Mitgift und erwischt dabei auch noch Mamsell Bourienne! Diese wird Frau sein, und du ...« Der Fürst schwieg, als er den Eindruck bemerkte, welchen diese Worte auf seine Tochter hervorbrachten. Sie hatte den Kopf gesenkt und war dem Weinen nahe.
»Nun, nun, ich scherze nur«, sagte er, »aber du weißt, Fürstin, es ist mein Grundsatz, daß ein Mädchen volle Freiheit, zu wählen, haben muß! Nur bedenke, daß von deiner Entscheidung dein Lebensglück abhängt. Von mir ist nichts zu sprechen.«
»Aber ich weiß nicht – Väterchen.«
»Wenn man es ihm befiehlt, so wird er jede andere heiraten, du aber bist frei, zu wählen. Gehe in dein Zimmer, überlege alles und nach einer Stunde komme zu mir und sage mir in seiner Gegenwart ja oder nein. Ich weiß, du wirst wieder beten. Nun, meinetwegen, bete, aber es wäre besser, du würdest überlegen. Jetzt gehe!«
»Ja oder nein! Ja oder nein! Ja oder nein« schrie er noch immer, während Marie wie betäubt aus dem Kabinett schwankte. Ihr Schicksal hatte sich entschieden, und glücklich entschieden! Aber die Anspielung auf Mademoiselle Bourienne war schrecklich. Wenn sie auch unbegründet war, so klang sie doch schrecklich und erschütterte Marie. Sie ging mit gesenkten Blicken nachdenklich durch den Wintergarten, ohne zu sehen und zu hören, als sie plötzlich das wohlbekannte Flüstern von Mademoiselle Bourienne vernahm.
Sie erhob den Blick und zwei Schritte vor sich erblickte sie Anatol, der die Französin im Arm hielt und ihr etwas zuflüsterte.
Anatol blickte sich mit rotem Gesicht erschrocken nach der Fürstin Marie um, ohne die Taille der Französin loszulassen, welche sie noch nicht sah. »Wer ist da? Was gibt es? Warten Sie!« schien Anatols Gesicht zu sagen. Marie blickte beide schweigend an und war nicht sogleich imstande, zu begreifen, was sie sah. Endlich schrie Mademoiselle Bourienne auf und entfloh. Anatol verbeugte sich mit vergnügtem Lächeln vor der Fürstin Marie, als ob er sie einladen wollte, über diesen seltsamen Zwischenfall zu lachen, und ging achselzuckend nach der Tür.
Eine Stunde später kam Tichon, um die Fürstin Marie zum Fürsten zu rufen, und sagte ihr, auch Fürst Wassil sei dort. Als Tichon ins Zimmer trat, saß Marie auf dem Diwan, hielt die weinende Mademoiselle in ihren Armen und glättete zärtlich ihr Haar. Die schönen Augen der Fürstin blickten mit ihrer früheren strahlenden Ruhe und mit zärtlicher Liebe und Mitleid auf das hübsche Gesichtchen der Französin herab.
»Nein, Fürstin, ich habe auf immer Ihr Wohlwollen verscherzt«, sagte Fräulein Bourienne.
»Warum? Ich liebe Sie mehr als jemals«, erwiderte Marie, »ich werde für Ihr Glück alles tun, was in meinen Kräften steht.«
»Aber Sie verachten mich, Sie sind so rein und werden nie diese Verirrungen der Leidenschaft begreifen! Ach, ach, ma pauvre mère!«
»Ich begreife alles«, erwiderte Fürstin Marie mit kummervollem Lächeln. »Beruhigen Sie sich, ich gehe jetzt zu meinem Vater!«
Fürst Wassil saß mit mildem Lächeln in einem Lehnstuhl mit der Tabaksdose in der Hand und nahm hastig eine Prise.
»Ach, meine Liebe«, sagte er aufstehend und ergriff ihre beiden Hände, »das Geschick meines Sohnes liegt in Ihrer Hand! Entscheiden Sie, meine liebe, teure Marie, die ich immer wie eine Tochter geliebt habe!« Mit einem Seufzer trat er beiseite, wirkliche Tränen erschienen in seinen Augen.
Der alte Fürst schnaubte. »Der Fürst macht dir im Namen seines Zöglings ... seines Sohnes einen Antrag!
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