Krieger der Stille
aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig hielt.
Tixu schritt auf schwankenden Stegen über die unter ihm lauernden Geschöpfe, die aufmerksam jede seiner Bewegungen über die rutschigen Planken verfolgten. Auch wenn der Regen ihm nun ins Gesicht peitschte, lies er sich davon nicht aus seiner gleichgültigen Haltung bringen. Jetzt strebte er dem einzigen Ort der Siedlung zu, wo Alkohol ausgeschenkt wurde: eine Baracke, auf morschen Pfählen errichtet; kein sehr vertrauenerweckendes Etablissement. Unter einem verwitterten Wirtshausschild neigte sich eine baufällige Terrasse in bedrohlichem Winkel auf den unter ihr gurgelnden Bach zu. Wahrscheinlich war dies die heruntergekommenste Kneipe des bekannten und unbekannten Universums.
Tixu gesellte sich jeden Abend zu den zahlreichen Liebhabern einer einheimischen Spezialität, eines alkoholischen Getränks namens Mumbë, eine zweifelhafte Mixtur aus Säure und Gift, die jedem normalen Individuum die Gedärme zerfressen hätte. Tixu jedoch leerte schweigsam
Glas um Glas, ohne den Blick zu heben. Die anderen Säufer standen an der Bar oder flegelten sich an roh zubehauenen Tischen, auch sie tranken schweigend. Ihre glänzenden, rot geäderten Augen starrten ins Leere. Die Kellner, drei Brüder vom Planeten Roter-Punkt, füllten schweigend die Becher und Gläser nach. Nur ihre Hände grabschten gierig nach den auf die Theke geworfenen Münzen.
Die Taverne der Drei Brüder – so wurde sie genannt, weil niemand das Wirtshausschild entziffern konnte – diente vor allem als Umschlagplatz für geschmuggelten Tabak aus den Skoj-Welten und künstlichem Alkohol. Beides war bereits per Gesetz der Konföderation seit mehr als einhundertsechzig Standardjahren verboten.
Von Zeit zu Zeit tauchten ein paar schrille Frauen in der verräucherten Kaschemme auf. Sie hatten bunt gefärbte Haare, und ihre hauchdünnen Negligés enthüllten schlaffes Fleisch, hängende Brüste, fette Beine und kahle Venushügel – heruntergekommene Prostituierte, die nicht die Mittel hatten, sich einer Verjüngungskur zu unterziehen. Sie verkauften sich an die Optalium-Sucher, an korrupte Beamte oder an dubiose Geschäftsleute.
Auch Tixu war in Momenten tiefster Verzweiflung schon ihren zweifelhaften Angeboten erlegen. Diese flüchtigen Begegnungen fanden in einem im ersten Stock gelegenen Zimmer statt, mitten in einem Schwarm aggressiver schwarzer Moskitos. Da diese Frauen äußerst professionell vorgingen, dauerte der gesamte Akt, von der Geldübergabe bis zur Ejakulation, nie länger als dreißig Sekunden. Und jedes Mal hatte Tixu nichts anderes in Erinnerung behalten als den widerlichen Geruch des Desinfektionsmittels auf der fleckigen Matratze.
Manchmal schnappte er Fetzen einer Unterhaltung oder eines Gedankens auf.
»Scheißregen! Das dauert jetzt schon länger als zwanzig Jahre. Eine-Jahreszeit, so müsste dieses Loch heißen!«
»Ja. Und der arme Morteen Olligrain … Dass er so enden musste. Hat sich einfach von einer dreckigen Echse fressen lassen …«
»Dabei habe ich ihm gesagt, nicht so nahe am Wasser zu graben. Erst mal, weil es in der Nähe des Wassers überhaupt kein Optalium gibt. Und dann, weil ich ja gesehen habe, dass das alles zusammenbrechen würde …«
»Er war eben stur … Aber so sind sie alle, diese Dickschädel von Artilex. Immer müssen sie recht haben.«
»He, du Oranger, da drüben! Wenn ich einen guten Fund mache, komme ich sofort zu dir. Und dann steckst du mich in deine beschissene Maschine und ich bin sofort zu Hause. Und dazu noch verjüngt!«
»Rede keinen Quatsch, Amigoët! So eine Deremat-Reise kostet mindestens zehntausend Eier. Und diese Verjüngungsgeschichte, das ist ein Märchen … Es wirkt vielleicht ein paar Monate lang, aber weil deine Körperzellen dein biologisches Alter gespeichert haben, ist die Wirkung bald vorbei. Das ist der korrigierte Gloson-Effekt … Stimmt doch, oder, Tixu?«
Tixu verzog nur das Gesicht, was man notfalls als Zustimmung deuten konnte.
»Du brauchst dich gar nicht über mich lustig zu machen«, beharrte der andere Mann. »Ich bin überzeugt, dass ich auf eine Ader gestoßen bin. Eine richtige.«
Bei dem Optalium handelte es sich um ein seltenes Edelmetall, das von den Goldschmieden und anderen bildenden
Künstlern auf Bella Syracusa und den Mitgliedern des Heiligen Kunsthandwerks des Marquisats sehr geschätzt wurde. Deshalb hatte es eine Menge Abenteurer angelockt, Männer, die unter der Zenoïba litten,
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