Krieger der Stille
Kreuzes ihnen zu.
»Bedeckt euch, Satansweiber! Euer Benehmen ist eine Beleidigung für die göttliche Laïssa, die Mutter unserer Kirche. Und euch ist bereits ein Platz am Feuerkreuz gewiss!«
Mit brennendem Blick musterte er eine Weile die schattenhaften Gestalten in dem verräucherten Gastraum,
schluckte heftig, sodass sein Adamsapfel in seinem dürren Hals auf und ab tanzte und verließ dann wie ein Schlafwandler unter den höhnischen Bemerkungen der etwas verunsicherten Huren das Lokal.
»Der tickt nicht richtig, der Kreuzler! Das kommt sicher von der Zenoïba!«
»Wenn der glaubt, dass er uns mit seinen Feuerkreuzen Angst einjagen kann, hat er sich geschnitten«, höhnte einer der Männer.
»An deiner Stelle würde ich nicht darüber lachen«, sagte ein alter Mann. »Ich habe sie gesehen, diese Scheißkreuze. Es gibt sie.«
Alle sahen den Optalium-Sucher an. Der vorzeitig gealterte Mann klammerte sich schwankend an die Theke. Die Huren erschraken, ließen ihre potenziellen Freier im Stich und scharten sich um ihn.
»Ich habe sie auf dem Planeten Julius gesehen, einem Satellitenstaat von Syracusa. Ich hatte dort damals einen Claim. Und dort ist die Kirche des Kreuzes Staatsreligion, und jeder, der nicht konvertiert, wird am Kreuz verbrannt … Ich habe gesehen, wie ganze Familien verbrannt wurden, Mann, Frau und die Kinder, ganz langsam. Ein entsetzlicher Anblick …«
»Dann gehörst du also auch zu diesen verdammten Kreuzlern!«, schrie ein Kerl, den der Mumbë aggressiv gemacht hatte. »Sonst hätten sie dich ja auch angezündet.«
Diese logische Folgerung wurde mit beifälligem Gemurmel gutgeheißen.
»Das war ich mal«, korrigierte der Alte. »Auf Julius war ich Kreuzler. Entweder oder. Sonst hätten sie mich umgebracht. Doch ich wollte leben. Wer will das nicht? Aber jetzt bin ich genauso Kreuzler wie du ein reicher Mann bist.«
Alle lachten. Wieder beruhigt ließen sich die Huren aufs Neue neben ihren Freiern nieder – wie ein gieriger Bienenschwarm auf einem üppig blühenden Blumenbeet.
Nach und nach kehrte Schweigen ein. Alle Köpfe waren vom Alkohol benebelt. Vielleicht wäre jetzt die Zeit gekommen zu gehen? Ein gefährliches Unterfangen, da draußen in der Regennacht herumzustolpern, ohne auf einem der glitschigen Stege auszurutschen und den Flussechsen als unverhoffte Mahlzeit zu dienen …
Wie Tixu den Weg in sein armseliges Domizil, eine völlig heruntergekommene Pension, gefunden hatte, daran konnte er sich nicht erinnern. Meistens hatte er nicht einmal mehr die Kraft, seinen Fuß auf den Gravitationssockel zu stellen und schlief gleich unten am Treppenabsatz ein. Deshalb schleppte ihn immer der Nachtwächter – ein Sadumba, bekleidet mit einer viel zu kleinen Uniformjacke und einem rein symbolischen Cachesexe – die Treppe hoch, bugsierte ihn in sein Zimmer, das einer Müllhalde glich, und stieß ihn auf seine stinkende Matratze. Nachdem der Nachtwächter diese schwierige Aufgabe erledigt hatte, fluchte er in seiner Muttersprache und ging. Dabei stolperte er jedes Mal über die vielen leeren Flaschen, fluchte wieder und machte die Tür hinter sich zu.
Tixu öffnete ein Auge und konnte im Türspalt gerade noch einen ausladenden weißen Hintern und darüber das lächerliche schwarze Jäckchen sehen, ehe er in einen komaähnlichen Schlaf sank.
An jenem Morgen verkündete die honigsüße Stimme einer Hostess für alle Angestellten der Zone 1098-A der Marken, dass es Zeit zum Aufstehen sei. Tixu fand diese Stimme unerträglich. Er hatte das Gefühl, dass jedes Wort
aus dem Resonator des firmeneigenen Senders ihm wie mit einem Mikroskalpell die Nerven durchtrennte.
Der Tagwächter – ein stummer, schlecht bezahlter Troblosser, der aber anständig gekleidet war – brachte ihm das Frühstück: scharf gewürzte einheimische Süßigkeiten und ein heißes, dickflüssiges Gebräu, das man weder als Kaffee noch als Tee bezeichnen konnte. Der Troblosser gähnte, dass er sich fast den Kiefer ausgerenkt hätte; das war seine Art, freundlich einen Guten Morgen zu wünschen.
Tixu setzte sich auf die Bettkante und erwiderte den Gruß nur mit einem leichten Kopfnicken. Diese nicht sehr höfliche Geste missfiel dem Tagwächter. Er stellte das Tablett achtlos auf den Haufen dreckiger Kleidungsstücke, die auf dem Tisch lagen, und verschwand.
Wie jeden Morgen rührte Tixu weder das Frühstück an, noch wusch er sich oder putzte sich wenigstens die Zähne. Er hievte sich mühsam aus
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