Krieger der Stille
verschmolzen zu werden, sobald er seine Rolle gespielt hatte. Deshalb suchte er nach einem Weg, um das mentale Band zum Hyponeriarchat zu kappen, denn er wollte von nun an autark sein.
Im Laufe der Zeit war er tollkühn geworden und sogar widerrechtlich in die Köpfe der höchsten Würdenträger am Hof Menati Angs eingedrungen und das in Gegenwart Pamynx’, eines hochrangigen Scaythen, der trotzdem nicht in der Lage gewesen war, Harkots subtile investigative Wellen zu erkennen.
Von seinem Erfolg berauscht, war Harkot zu dem Schluss gelangt, dass nun nichts mehr seinen Aufstieg bremsen könne und dass er bald über das gesamte Universum herrschen werde. Kein Hindernis schien ihm jetzt noch unüberwindbar.
So hatte er sich an jenem Abend gefühlt. Der Kaiser hatte ihn zu sich befohlen, damit er eine Pro-forma-Erklärung wegen des mentalen Todes eines hochgestellten Höflings abgebe. Harkot hatte sich etwas gegönnt: Als Zeichen äußerster Kühnheit war er in das Gehirn seines, von vier erlesenen Gedankenhütern geschützten Herrschers
eingedrungen. Das war eine Herausforderung, sowohl der Menschen als auch der Scaythen. Denn er war weder das eine noch das andere. Er war ein Mutant, das erste Exemplar einer neuen Spezies.
Mit einer geradezu genießerischen und perversen Langsamkeit hatte er seine Tentakel in die Windungen des Gehirns des Kaisers geschoben, doch die weißroten Kapuzenmänner, seine Matrix-Brüder, hatten nicht reagiert. Und der blau gekleidete Pamynx war ebenfalls regungslos geblieben.
Und was entdeckte Harkot, der unangreifbare flüchtige Eroberer – natürlich vergaß er während seines Ausforschens nicht, über Banalitäten zu plaudern – bei seiner mentalen Erkundung von Menati Angs Gehirn?
Maßloses Erstaunen ergreift den Mutanten, denn er erfährt Dinge, die gewiss bei Bekanntwerden den gesamten Hof in Aufruhr versetzen würden …
Als Erstes und allgegenwärtig ist der Körper von Dame Sibrit, der Witwe Seigneur Rantis – den er ermordet hat, welche Ironie des Schicksals! Der Kaiser ist derart von Dame Sibrit besessen, dass seine Begierde neurotische Züge annimmt. Scaythen kennen kein sexuelles Begehren noch verstehen sie, dass sich ein Herrscher – wenn auch ein illusorischer Herrscher – über Milliarden Menschen freiwillig in die Abhängigkeit von einem weiblichen Körper begeben kann. Er möchte Dame Sibrit gewalttätig besitzen, aber nur unter der Bedingung, dass sie seine Neigung teilt und er sie weder bedroht noch zwingt. Also muss er seine animalischen Gefühle verbergen, was ihm auch meistens dank mentaler Kontrolle gelingt, aber jeden Moment können sie in ihm wie die Lava eines aktiven Vulkans ausbrechen.
Dieser Schwachpunkt in Menati Angs Charakter beeindruckt Harkot zutiefst, und er sagt sich, dass er ihn für sich ausnutzen könne. Er vergleicht das Leiden des Kaisers mit dem seinen. Denn wie er, wird Menati Ang von allen verachtet. Dabei wünschen sich beide nichts sehnlicher als Anerkennung.
Die zweite Hauptbeschäftigung und Sorge Angs gilt dem Konnetabel Pamynx. Der Kaiser, der wie alle Menschen, unbewusst sein psychisches Potenzial nicht ausschöpft, misstraut Pamynx. Und dieses Misstrauen grenzt an eine Paranoia. Ohne die Machenschaften des Konnetabels zum Sturz der Konföderation wäre Menati nie an die Macht gelangt. Doch jetzt fürchtet er den skrupellosen Pamynx und hat Angst, der Scaythe könne ihn stürzen, so wie er seinen Bruder Ranti eliminiert hat. Und diese Angst treibt ihn dazu, insgeheim nach einem Mittel zu suchen, sich dieses allgegenwärtigen lästigen Schattens zu entledigen. Doch im Moment sind dem Kaiser die Hände gebunden, denn Pamynx würde sofort von jeder Intrige gegen ihn erfahren. Also ist der Kaiser nichts anderes als eine Marionette der Scaythen, genau das, was für die fünfte Stufe des Plans vorgesehen war.
»Wir haben unsere Unterredung beendet, aber Ihr könnt bleiben, Sieur Harkot«, sagt der Kaiser.
So wird er als interessierter Zuschauer Zeuge eines nicht enden wollenden Defilees aufgeblasener Hofschranzen, die einzig und allein um einen Empfang bei dem Herrscher betteln, damit sie in den Augen anderer Höflinge mehr Renommee gewinnen. Harkot amüsieren die wahren Gefühle, die sie Menati entgegenbringen: Hass, Neid, Missgunst, und wie sie auf kleinliche Weise berechnend taktieren, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Alle diese
Gedanken bewegen sich hinter ihren lächelnden Masken wie ein Knäuel zischender
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