Krieger der Stille
einem knorpelartigen Vorsprung festhalten. Die Strömung war so stark, dass er loslassen musste, aber er konnte sich an einer anderen Wucherung anklammern. Er hatte das flüchtige Gefühl, sich auf schwankendem Grund zu befinden, und das Atmen fiel ihm durch die reißenden Strudel immer schwerer.
Doch ganz plötzlich bekam er wieder Luft. Der schwankende Boden unter ihm wurde stabil. Noch immer klammerte er sich wie ein Ertrinkender an diese Wucherung. Er hustete, spuckte Wasser aus und versuchte, wieder etwas Kraft zu gewinnen.
Tixu kauerte nicht auf der Erde, sondern auf dem schwarzen Rückgrat eines großen Meeresungeheuers. Aus runden Löchern seiner dicken Haut schossen Wasserfontänen
empor. Auf der Stirn trug es eine Reihe immer kleiner werdender weißer spitz zulaufender Hörner, die sich kraftvoll durch die Wassermassen pflügten. Sein Kopf war flach. Durchsichtige Bauchflossen an seinem gewölbten Leib peitschten den Ozean mit unvorstellbarer Kraft, wobei sie von den kräftigen Schlägen seines gegabelten Schwanzes unterstützt wurden.
Das Ungeheuer schwamm jetzt an die Oberfläche, zog ruhig seine Bahnen in dem aufgewühlten Meer, so als wollte es die Naturgewalten herausfordern. Tixu lag ausgestreckt auf dem Rücken des Tiers und hielt sich noch immer an dem weichen und doch robusten Knorpel fest. Zwischen zwei Wellen, die ihn vollständig überspülten, kam er langsam wieder zu Kräften. Sein Körper war mit einer salzigen Eisschicht bedeckt, und er fror erbärmlich. Das Meeresungeheuer ließ die stürmische Region hinter sich und schwamm in ruhigere Gewässer, wo der Wind nach und nach abflaute und zu einer leichten Brise wurde und kleine Wellen Tixu sanft umplätscherten.
Doch Tixu war derart erschöpft und durchgefroren, dass er sich nicht einmal die Frage stellte, wie oder warum dieses Ungeheuer ihn gerettet hatte. Er legte sich auf dessen rauen, geschmeidigen Rücken und schlief ein. Mehrmals schreckte er aus dem Schlaf hoch und stellte jedes Mal beruhigt fest, dass das Tier ruhig weiterschwamm. Seine Hörner teilte das glatte Meer wie der Bug eines Schiffes.
Lange schwebte Tixu in einem Zustand zwischen Traum und Wachsein, zwischen Himmel und Wasser, dann schlief er wieder ein.
Die beißende Kälte der Nacht weckte ihn erneut. Er kauerte sich zusammen, doch sein Hals, seine Schultern, sein Rücken und seine Beine waren noch immer der eisigen
Luft ausgesetzt, und das Salz auf seinem jetzt trockenen Körper juckte, biss, quälte ihn mit Tausenden kleinen Stichen.
Als hätte das Ungeheuer gewusst, welche Qualen der Mann litt, den es trug, spie es plötzlich aus den runden Löchern neben seiner Wirbelsäule eine heiße Flüssigkeit aus. Diese warme, zähflüssige Flüssigkeit hüllte Tixu bald wie eine zweite schützende Haut ein, sodass er nicht mehr fror.
Die Morgendämmerung stimmte ihr erstes Lichtspiel am Horizont an. Ein ohrenbetäubender Lärm weckte den Oranger. Große grüne aggressive Haie richteten sich im Wasser auf und sprangen mit erstaunlicher Leichtigkeit auf den Rücken des Seeungeheuers, wobei sie rau klingende Töne ausstießen. Tixu begriff, dass er das Ziel ihrer Angriffe war. Mit klopfendem Herzen stand er auf und presste sich gegen den vorstehenden Knorpel. Die Raubfische wurden immer kühner. Ihre grünen Rückenflossen streiften die schwarzen Flanken und die schwarze Schwanzflosse des Meeresungeheuers. Ein Hai schnellte plötzlich aus den Fluten direkt auf ihn zu. Er sah den weißen Bauch und das weit aufgerissene Maul, mit drei Reihen spitzer Zähne bewehrt. Instinktiv duckte er sich sofort und hörte in der Nähe seines Kopfes ein Knirschen, dann einen dumpfen Aufprall und einen seltsamen Schrei … Er drehte den Kopf und sah eine dichte Reihe spitzer, etwa zwei Meter langer Stacheln, die aus dem Rückgrat des Monsters herausragten und den Hai aufgespießt hatten. Der Raubfisch blutete aus vielen Wunden und versuchte, sich mit heftigen Kopfbewegungen und Schwanzschlägen zu befreien. Vergebens. Bald rührte er sich nicht mehr, und das Ungeheuer
zog seine Stacheln wieder ein. Der Körper des Hais glitt ins Wasser, wo sich sofort seine Artgenossen auf ihn stürzten und ihn zerfleischten.
Tixu bewunderte den wunderschönen Sonnenaufgang über dem Ozean der Feen von Albar. Die Strahlen des aufsteigenden Gestirns schienen zart über das Wellenmeer zu streichen. Das Antra hatte sich in das Herz seiner Festung der Stille zurückgezogen. Er spürte sehr stark –
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