Kriegsgebiete
sauberer Abgang.«
Daniel
drehte sich um und sah Rainer fest in die Augen.
»Danach
lässt du Lea und Maik frei.«
Der
Sack bewegte sich heftig. Unartikulierte Laute. Lea hatte sich nicht
abgefunden.
»Natürlich
lasse ich die beiden frei«, sagte Rainer grinsend. »Das
sind ja quasi Kriegsgefangene. Ich verfahre streng nach der Genfer
Konvention.«
»Ich
habe noch einen letzten Wunsch.«
»Das
ist ja wie in Hollywood. Du wirst auf keinen Fall eine
Henkersmahlzeit kriegen.«
»Ich
will meine Tochter ein letztes Mal sehen.«
Rainer
lachte.
»Sorry.
Wie konnte ich das bloß vergessen? Ich hol sie gleich heraus.
Sie soll dir dabei zusehen. Das ist ja ihr Vater. Sie hat ein Recht
darauf. Zu sehen, wie du dir das Genick brichst. Wäre gut, wenn
dir das gelänge. Ansonsten baumelst du durch die Luft und deine
angeschwollene Zunge hängt so blöd aus deinem Mund raus.
Nicht schön, wenn das Kind so was mit ansehen müsste.
Vermutlich würde es sie traumatisieren.«
Rainer
war nicht so dumm, die Pistole wegzustecken. Ein Profi. Er hielt die
Waffe weiter in Daniels Richtung. Es musste schnell gehen. Während
Rainer sein Kampfmesser aus dem Gürtel zog, holte Daniel sein
Schweizer Offiziersmesser aus der Hosentasche und klappte die Klinge
aus. Rainer bückte sich und schnitt die Kordel des Sacks auf.
Sofort waren Haare zu sehen. Daniel sprintete los. Rainers Blick über
die Schulter. Er feuerte einen Schuss ab. Die Kugel traf die
Metalltreppe. Rainer richtete sich auf. Daniel sprang. Die Klinge des
Taschenmessers bohrte sich in Rainers Rücken. Er schrie nicht
auf, sondern gab nur ein Geräusch von sich, als würde alle
Luft aus ihm entweichen. Ein weiterer Schuss löste sich.
Betonbröckchen prasselten von der Decke. Eng umschlungen
krachten Daniel und Rainer auf den Boden. Sofort versuchte Daniel,
ein weiteres Mal zuzustechen, aber der Feind umklammerte sein
Handgelenk. Er hat die Pistole fallen lassen, dachte Daniel, aber
bevor er diese Erkenntnis in Aktion umwandeln konnte, bohrte sich
bereits Rainers Kampfmesser in seinen Oberschenkel.
»Scheiße!«,
brüllte Daniel.
»Du
hast es nicht drauf!«, zischte Rainer und katapultierte ihn mit
einem kräftigen Fußtritt von sich. Daniel knallte mit dem
Rücken auf den Boden. Jetzt nicht nach der Verletzung sehen.
Wenn man nicht hinschaut, kommt der Schock später.
Konzentration. Aufstehen. Zur Pistole rennen. Sie lag direkt vor ihm,
aber Rainer war schneller. Er riss die Pistole hoch und presste sie
Daniel gegen die Brust. Der Lauf der Pistole unmittelbar über
dem Herzen fror alle Bewegungen ein. Leben im Schockzustand.
Eine
Zehntelsekunde lang standen sie sich so gegenüber:
Rainer
mit der Pistole.
Daniel
mit einem Taschenmesser.
Dann
flog seine geknebelte und gefesselte Tochter in Daniels Blickfeld.
Lea traf Rainer mit der Schulter in den Rippen. Der verlor das
Gleichgewicht. Und ließ die Waffe los. Mit einem lauten
Klickergeräusch schlitterte sie über den Boden. Wie wenn
man Billardkugeln aus dem Pool-Tisch lässt. Sofort stand Rainer
wieder auf und trat Lea in den Bauch. Dann rannte er zur Pistole. Der
Messerstich im Rücken schien ihm überhaupt nichts
auszumachen. Daniel humpelte los, aber das verletzte Bein spielte
nicht mit. Rainer war früher bei der Pistole, hob sie auf und
richtete sie gegen Daniel, der direkt vor ihm stand. War knapp
gewesen. Fast wäre Daniel als Erster bei der Pistole gewesen.
Schon jetzt konnte Daniel die Schussverletzung spüren. Die Brust
ist am leichtesten zu treffen. An einem Bauchschuss stirbt man am
qualvollsten. Der Kopf geht schnell. Zack. Aus. Wahrscheinlich würde
sich Rainer für einen Bauchschuss entscheiden.
»Jetzt
hab ich aber genug«, keuchte Rainer noch außer Atem.
Ich
werde die Augen nicht zumachen, dachte Daniel. Ich werde die Augen
auf keinen Fall zumachen.
Der
Schuss hörte sich weiter entfernt an als erwartet.
Rainer
kippte seitlich aus seinem Gesichtsfeld. Lag am Boden. Zuerst sah
Daniel das Blut, das sich langsam um Rainers Kopf sammelte. Dann das
Loch im Schädel. Und bevor er etwas begreifen konnte, kippte er
selbst um und presste beide Hände auf den Einstich in seinem
Oberschenkel.
Er
sah den Einschuss in der Betondecke. Das Gesicht seiner Tochter
erschien über ihm. Die Augen ganz groß. Der Mund noch
immer geknebelt. Ein Wesen in dunkler Uniform, Helm und Schutzbrille
riss sie nach hinten. Darth Vader, dachte Daniel. Und: Vielleicht
stirbst du jetzt.
Dann
glotzte ihn plötzlich
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