Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Honoriusfrage. 9
Zunächst zwar haben zwei Kirchenversammlungen in Konstantinopel (638 und 639) die »Ekthesis« als konform mit der apostolischen Predigt gebilligt, hat auch die Römische Kirche dies anerkannt, unterschrieben und verbreitet. Doch dann verwarfen die Nachfolger des Honorius, die kirchlich und politisch größere Selbständigkeit gegenüber Byzanz, ja, die Loslösung erstrebten, die monotheletische Lehre wieder.
Auf dem sechsten allgemeinen Konzil in Konstantinopel, 680/681 – wo Patriarch Makarios von Antiochia mit gefälschten Dokumenten arbeitete (wie seine Fälscher, ein Mönch und ein Gelehrter, gestanden) –, hat die Kirche am 28. März 681 Papst Honorius I. in aller Form als Monotheleten verflucht, zusammen mit vier anderen als monotheletische »Ketzer« verschrienen Patriarchen von Konstantinopel: Sergius, seinen Nachfolgern Pyrrhos I., Paulus und Petrus, und sein formell ex cathedra erlassenes Schreiben feierlich verbrannt. Mit »offensichtlichem Wohlgefallen« (Palanque) erklärte das Konzil, »daß auch Honorius, der gewesene Papst von Alt-Rom, dem Anathem verfallen muß, weil wir in seinem Briefe an Sergius gefunden haben, daß er in allem der Meinung desselben folgte und seine gottlosen Lehren bestätigte«. 10
Nun gab es der »Häresie« überführte »Stellvertreter Christi« schon vor Honorius, etwa die Modalisten-Päpste Viktor I., Zephyrin und Kailist, die alle, mehr oder minder eindeutig, den Modalismus vertraten. Papst Honorius aber, der Schüler von Kirchenlehrer Papst Gregor »dem Großen«, wurde von der römisch-katholischen Kirche selber offiziell als »Ketzer« verdammt. Und dies eben nicht nur auf dem sechsten allgemeinen Konzil von Konstantinopel 680/681.
Denn von nun an bezichtigte eine lange Reihe Heiliger Väter, vermutlich durch dreihundertfünfzig Jahre, bei ihrer Thronbesteigung in einem feierlichen Glaubensbekenntnis Papst Honorius I. der »Flamme der Ketzerei«: eine Selbstdesavouierung, um die man fort und fort stritt, zur Zeit des Jansenismus und Gallikanismus, ja, noch auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 bei der Dogmatisierung der Päpstlichen Unfehlbarkeit. Geht diese »Unfehlbarkeit« doch davon aus, daß kraft göttlicher Verheißung an den Apostelfürsten Petrus keiner seiner Nachfolger jemals im Glauben geirrt habe ... Bereits Leo II. (682–683) aber sah die Kirche durch des Honorius »unheiligen Verrat beschmutzt« und billigte die Verdammung seines Vorgängers durch das sechste ökumenische Konzil; er bestätigte sie in einem Brief an den Kaiser sowie in zwei Schreiben an die Bischöfe Spaniens. Und jahrhundertelang versuchte niemand, Honorius I. zu entlasten oder zu entschuldigen. In der Neuzeit freilich hat der offizielle Historiker der katholischen Kirche, Kardinal Cäsar Baronius (gest. 1607), die Verdammung des Papstes rundweg geleugnet! 11
Während Honorius regierte, starb 632 der Prophet Mohammed. Und indes der Monotheletismusstreit im Westen weiterschwärte, schickte sich im Osten der Islam an, die Welt zu erobern. Seit 635 wehte die grüne Fahne des Propheten über Damaskus, seit 638 über Jerusalem, seit 639 über Edessa, dem Hauptsitz christlich-syrischer Theologie. Ganz Syrien war bereits erobert, das byzantinische Mesopotamien besetzt, Ägypten angegriffen.
In Rom aber brauchte nach des Honorius Tod der Heilige Geist fast zwei Jahre, ehe er sich für dessen Nachfolger Severinus (640) entschied. Und noch vor der Inthronisation stürmten römische Truppen den vom Papst drei Tage lang verteidigten Lateran. Dann eilte Exarch Isacius von Ravenna herbei, beschlagnahmte den Kirchenschatz, bezahlte damit das Heer, schickte den größten Teil des Geldes dem Kaiser und jagte die führenden Geistlichen aus der Stadt. 12
13. Kapitel
Die Entstehung des Kirchenstaates durch Kriege und Raub
»Aber gebet acht, o Söhne, bemühet euch eifrig, teilzunehmen an dem, was wir begehren! Denn wisset: wer immer auf die andere Seite tritt, der wird ausgeschlossen sein vom ewigen Leben.«
Papst Stephan II. 1
»Kampf für Christus und die Kirche wird den Franken als ihr geschichtlicher Beruf zugewiesen.«
Johannes Haller 2
Päpstliches Lavieren zwischen Byzanz, Langobarden und Franken
Während in Byzanz der Bilderstreit tobte und seine Auswirkungen noch das byzantinische Italien erschütterten, suchte König Liutprand die Gelegenheit zu nützen, das Langobardenreich auf ganz Italien, vor allem aber in der Emilia und Romagna auszudehnen. Er
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