Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
annektierte systematisch byzantinisches Gebiet, gewann Kastell um Kastell, festigte seine Autorität aber auch in den Herzogtümern Spoleto und Benevent, kurz, er vergrößerte innen- und außenpolitisch stetig seine Macht. Und als Liutprand 732 (oder 733) erstmals auch Ravenna – bisher fast zweihundert Jahre in oströmischer Hand – eroberte und der Exarch in die venetianischen Lagunen floh, wurde der Bundesgenosse dem Papsttum zu gefährlich.
An sich hatte der römische Bischof kaum Grund, ungehalten über Liutprand zu sein. Der König gab einst Gregor II. dessen eroberten Dukat sogleich frei. Und er erstattete auch das vom Papst heiß begehrte, die Straße nach Ravenna beherrschende Kastell Sutri zurück (in Form einer an die Apostel Petrus und Paulus ausgestellten Urkunde). Alles nur aus Respekt vor dem Apostelfürsten! Denn Liutprand war auch persönlich fromm – ein den Priestern ergebener gläubiger Katholik und ein demonstrativer Förderer der Kirche. Er errichtete in seinem eigenen Palast eine Hauskapelle und war der erste Langobardenkönig, der sich Hauskapläne hielt. Er stellte Geistliche ein, »die täglich den Gottesdienst für ihn halten mußen« (Paulus Diakonus). Einer seiner Verwandten wurde Bischof von Pavia. Dem Klerus gegenüber war er freigebig. Er gründete Klöster, erbaute viele Kirchen, schmückte sie aus, und er pflegte den superstitiösen Reliquienkult. Ein Prolog zu seinen Gesetzen beginnt mit einem Bibelzitat. In einem späteren Prolog tritt er ausdrücklich als Verteidiger des römisch-katholischen Glaubens auf. Gregor II. bekämpfte die Rückkehr von Nonnen ins weltliche Leben, Liutprand unterstützte ihn mit einem entsprechenden Gesetz. Der Papst bekämpfte die Schwägerehen, Liutprand sprang ihm mit einem staatlichen Verbot bei.
Doch obwohl der König sich auch bei der Rebellion gegen den Kaiser an der Seite Roms befand, verriet ihn der neue Papst Gregor III. (731–741) an das aufsteigende Venedig. Denn Gregor fürchtete nicht nur die Macht Liutprands, sondern begehrte selber die Romagna. So befahl er, ungeachtet des mit Liutprand geschlossenen Vertrags, nun dem Metropoliten von Reichs-Venetien, Antoninus von Grado, dem in die Lagunen geflüchteten Exarchen beizustehen, damit Ravenna »wieder zu dem alten Verbände der heiligen res publica und der kaiserlichen Untertanenschaft zurückgeführt werde«. (Um 735, nachdem die Langobarden etwa drei Jahre die Stadt besetzt hatten, nahmen sie die Venetianer in einem Handstreich von der See her.) In einem Brief an den Dogen aber schmähte der Papst die Langobarden, seine gläubigen Bundesgenossen, Bilderverehrer auch wie er, ein »schandbares« Volk, während er den Kaiser und dessen Sohn Konstantin Kopronymos »seine Herren und Söhne« nannte – bevor seine Nachfolger auch sie verrieten. 3
Denn auch Byzanz schien dem Papst zu gefährlich.
So verbündete er sich, nachdem er die venezianische Flotte zur Rückeroberung Ravennas für den Exarchen getrieben, 738 mit dem verräterischen Herzog Transamund von Spoleto und mit dem Rebellen Godschalk, der Benevent an sich gerissen. Und wie (wahrscheinlich) schon Gregor II., so hetzte auch Gregor III. die langobardischen Herzöge gegen ihren König. Er selber aber ließ einen großen Teil von Roms Stadtmauern wiederherstellen und die Civitavecchia befestigen.
Transamund II. hatte 724 seinen Vater Farwald II. gewaltsam abgesetzt, zur Tonsur und zum Eintritt in den geistlichen Stand gezwungen. Als König Liutprand nun 738/739 gegen ihn vorging, die Pentapolis brandschatzte, Spoleto überrannte, Transamund zum Papst floh, der ihm das römische Heer gegen Liutprand zur Verfügung stellte, der seinerseits plündernd in den römischen Dukat einbrach und dessen Grenzkastelle im Norden nahm, da entbrannte der Krieg ringsum, im römischen Raum ebenso wie im ravennatischen. Zwar gewann Transamund vorübergehend (im Dezember 740) seine Hauptstadt und tötete den neuen, von Liutprand eingesetzten Herzog Hilderich. Doch der Papst, der auch seine Bischöfe im Langobardenreich gegen dessen Herrn ausspielte, fürchtete des Königs Macht, und so appellierte er an den zwar fernen, aber starken Frankenfürsten Karl Martell. 4
Der fränkische Hausmeier, der seit 720 unbestritten das Gesamtreich beherrscht und fast pausenlos Krieg führt (S. 297 ff.), wobei er auch weitgehend die Kirche heranzieht und Klöster als Brückenköpfe, Stützpunkte benutzt (Schwarzach, Gengenbach, Schuttern, die Abtei Reichenau),
Weitere Kostenlose Bücher