Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
für den aber die Ausbreitung seiner Herrschaft und des Christentums untrennbar zusammengehörten, kurz, Karl, der mächtigste Mann Europas, so gewöhnt an Krieg und Eroberung, daß zeitgenössische Quellen es ausdrücklich vermerkten, kam es in einem Jahr einmal nicht dazu (und dies war nur Anno 740 der Fall), ein solcher schien gerade der richtige Schutzpatron für den Stellvertreter Christi. 5
So suchte der dritte Gregor 739 und 740 mehrmals Karl Martell gegen Liutprand aufzustacheln, obwohl beide persönlich befreundet waren.
Der Papst lockte mit der Loslösung Roms vom byzantinischen Reich und bot Karl die Übertragung des römischen Konsulats sowie den Rang eines Patriziers an. Eine Gesandtschaft und zwei Schreiben schickte Gregor an »den liebevollen Sohn des heiligen Petrus«, den »ganz ausgezeichneten Herrn Karl«, beschwor ihn 741, noch kurz vor seinem Tod, »bei dem lebendigen und wahrhaftigen Gott und bei den heiligsten Schlüsseln zum Grabe St. Peters«: »Wir schweben in der äußersten Not, und Tag und Nacht rinnen Tränen aus unseren Augen, da wir sehen müssen, wie die heilige Kirche Gottes täglich und überall verlassen wird von ihren Söhnen, auf die sie ihre Hoffnung gesetzt ...« Beschwor Karl Martell, der mit Gattin und Söhnen immerhin zur Gebetsbruderschaft des St. Peter geweihten Klosters Reichenau gehörte, sich der päpstlichen Bitte nicht zu verschließen, auf daß der Apostelfürst, der Torwart des Himmels, ihm das Himmelreich nicht verschlösse. Auch schickte der heilige Oberhirte dem »princeps« der Franken »große und unermeßliche Geschenke, wie sie noch nie zuvor gehört und gesehen worden waren« (Fredegarii Continuationes). Und natürlich hatte der Papst nicht versäumt, Karl Martell etwas Alteisen beizulegen – angeblich Teile der Ketten des hl. Petrus und die Schlüssel des Apostelgrabes, um seine fürchterliche Knechtschaft unter Langobarden und Griechen diplomatisch zu verdeutlichen. Von irgendwelchen Gegenleistungen des Papstes war nirgends die Rede; bloß von den »Lügen« der Langobarden sowie dem Schutz der römischen Kirche und ihres Besitzes – »nur dieser wird immer betont« (Mühlbacher).
Aber Gregor III., der seine Bemühung bis zu seinem Tod fortsetzte – »Zu keiner Zeit vorher«, sagt geschmeichelt ein fränkischer Chronist, »habe man etwas derart gehört oder gesehen« –, appellierte vergeblich an den »Unterkönig« Karl. Dieser, wenig kirchenfromm, stammverwandt mit den Langobarden, verbündet und befreundet mit Liutprand, der 737 seinen Sohn Pippin adoptiert und im folgenden Jahr, auf Karl Martells Wunsch, »ohne Zögern« und »mit dem ganzen Heer der Langobarden« (Paulus Diakonus) siegreich gegen die Sarazenen in der Provence interveniert hatte, blieb auf den ersten päpstlichen Hilferuf gänzlich taub und starb, ehe er sich eventuell zum zweiten hätte äußern können.
Als einziger unter den Ahnherrn der Karolinger wird Karl von den späteren Kirchenautoren verdammt, ewig in die Hölle verstoßen, besonders freilich wegen der durch ihn – precaria verba regis – erfolgten systematischen Schmälerung des Kirchengutes (S. 305). Zu seinen Lebzeiten hörte sich das alles ganz anders an – auch wenn er einen seiner geistlichen Verwandten, den Abt Wido von St. Vaast und St. Wandrille, der nach der Klosterchronik Jagd und Krieg lieber hatte als den Gottesdienst, enthaupten ließ – nicht deshalb natürlich, sondern wegen einer Verschwörung gegen Karl. Denn ganz gewiß war der alles andere als ein grundsätzlicher Gegner der Kirche. Acht Güterschenkungen sind bekannt, die er selbst ihr machte. 6
Karlmanns Schwabenmassaker und das Bistum Konstanz
In Monte Cassino war etwas früher auch der Franke Karlmann gelandet ...
Karl Martell hatte vor seinem Tod am 21. Oktober 741 die Regierungsgewalt unter seine Söhne Karlmann, Pippin III. (den Jüngeren, den Kurzen) und Grifo geteilt. Der ältere Karlmann hatte Austrien, Thüringen, Schwaben erhalten, der jüngere Pippin Neustrien, Burgund und die Provence. Bayern und Aquitanien (das Land zwischen Atlantikküste, Loire und Pyrenäen) sollten beiden gemeinsam unterstehen. Ihr Halbbruder Grifo aber, der Sohn von Karls zweiter Gattin, der bayrischen Prinzessin Swanahilt (S. 319), wurde nicht als gleichberechtigter Erbe anerkannt, von seinen Stiefbrüdern gefangengenommen und auf einer Burg in den Ardennen eingekerkert, seine Mutter Swanahilt ins Kloster Chelles bei Paris gesteckt.
Schon ein Jahr nach
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