Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
versklavten Frauen und Kinder, jetzt auch noch, durch die Mörder, die Räuber, »durch das göttliche Strafgericht erschreckt«, den Glauben dessen annahmen, den sie getötet hatten. Bis auf den heutigen Tag liegt der Rest davon in Fulda. 33
Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Die ganze berichtet Priester Willibald am Schluß des 8. Kapitels seiner Vita (das 9. und letzte Kapitel ist »nachträglich angefügt«: Rau). Denn nun strömten dort, »wo der heilige Leichnam beigesetzt war ..., reichlich die göttlichen Wohltaten, und alle, die hierhin, von den verschiedensten Krankheiten gedrückt, kommen, finden durch die Fürbitten des heiligen Mannes Heilung an Leib und Seele, so daß einige, deren ganzer Körper beinahe abgestorben, die beinahe ganz entseelt waren und den letzten Atem auszuhauchen schienen, die frühere Gesundheit wiedererlangen, andere, deren Augen von Blindheit bedeckt waren, das Gesicht wiederempfangen, noch andre, die sich in den Stricken des Teufels befanden, geistesgestört und wahnsinnig waren, nachher des Geistes ursprüngliche Frische erhalten ...« – Und das alles durch den »Kämpfer in der Rennbahn des Geistes«. Und, versteht sich, so schließt Willibalds Werk (soweit echt), durch den »Herrn, dem da ist Ehre und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen«. 34
Leider sind damit nicht auch wir fertig mit dem Christentum. Im Gegenteil. Denn es entfaltet sich nun immer prächtiger.
Während Bonifatius sich für die Päpste engagierte, engagierten die Päpste sich für sich. Dabei waren die wichtigsten Machtfaktoren für sie zunächst immer noch die Byzantiner und Langobarden.
12. Kapitel
Aufstand des Papsttums und Bilderstreit
»Er rüstete sich gegen den Kaiser wie gegen einen Feind.«
Liber Pontificalis 1
»Wir betreten mit Gottes Güte den Weg in die entferntesten Regionen des Westens.«
Papst Gregor II. 2
»... trotz aller äußeren Mäßigung das Haupt der italienischen Revolution«.
L.M. Hartmann 3
Im Lauf des 7. Jahrhunderts entwickelte sich der päpstliche Haushalt immer mehr zu einem Hofstaat, dem es auch an weltlichen Würdenträgern nicht mangelte.
Zwar gibt es von Gregors I. nächsten Nachfolgern, Sabinian, Bonifatius III. und IV., Deusdedit und Bonifatius V., kaum Überlieferungsberichte. Doch ganz so »stumm wie die Geisterkönige in Macbeth« (Mann) schreiten sie doch nicht über die Bühne; schon nicht Gregors unmittelbarer Nachfolger Sabinian (604–606). Denn als bei einer der in Rom nicht seltenen schweren Hungersnöte das elende Volk vor den päpstlichen Palast zog und schrie: »Apostolischer Vater, laß uns nicht umkommen!«, wies es der Papst brüsk zurück. Er war hart und dachte voraus. Jede Hilfeleistung lehnte er ab. Später verkaufte er sein Korn zu Wucherpreisen. 13, ja 30 Solidi soll er pro Scheffel Getreide gefordert haben. Die Kirchenbestände wurden ein lukratives Geschäft. So sehr, daß er nach seinem Tod schleunigst auf einem Umweg aus der Stadt nach St. Peter gebracht werden mußte: die empörten Diözesanen wollten sich an seiner Leiche vergreifen. Und Papst Bonifatius IV. (608–615), »das schönste Haupt der Kirchen Europas« (Kolumban von Bobbio), ließ auf dem römischen Forum einem der größten Scheusale nicht nur des 7. Jahrhunderts, dem Despoten Phokas, eine Säule mit seiner vergoldeten Statue errichten: »für die zahllosen Wohltaten seiner Frömmigkeit« (S. 194 ff.). 4
Ein Jahrzehnt darauf bestieg in Rom ein Mann die cathedra »Petri«, der bis tief in die Neuzeit, beinah bis heute Geschichte (oder doch von sich reden) machte, ein Heiliger Vater, angesichts dessen die vom Papsttum fort und fort beanspruchte Unfehlbarkeit in Glaubensdingen, die Definitio ex cathedra, genau als die Farce erscheint, die sie ist.
Die Kirche verflucht einen Papst
Fast in allem hätte sich Honorius I. (625–638), ein Schüler Gregors I. und auch wie dieser dem Adel entstammend, gut in die Galerie seiner Kollegen gefügt.
Honorius förderte den Übertritt der Langobarden zum Katholizismus, indem er gegen den Arianer Arioald zugunsten des Katholiken Adaloald Stellung nahm. Die schismatischen Prälaten wollte er durch den Exarchen Isacius zur Bestrafung nach Rom geschleppt sehen. Den Bischof Fortunatus von Aquileja-Grado vertrieb er. Südirland schloß sich unter seinem Druck dem römischen Osterbrauch an. Dem englischen König Eadwin von Northumbrien, der 627 zu Kreuze kroch, empfahl er, eifrig Gregors I. Schriften zu lesen. Und den spanischen
Weitere Kostenlose Bücher