Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
er sie freilich ein Jahr später wieder, was deren Vater König Desiderius zu seinem Todfeind machte, den Papst aber nicht zum Protest trieb (so sehr man da sonst die Unauflösbarkeit der Ehe betont!). Stephan, der in seiner Epistel auch an die minderwertige Natur von Frauen generell gemahnte, an die sündige Eva, den Paradiesesverlust, insistierte doch auch darauf, daß beide Könige bereits rechtmäßig verheiratet seien, was indes nur für Karlmann zutraf, für Karl falsch war. Seine Verbindung mit Himiltrud, die ihm bereits einen Sohn, Pippin, geboren, ist keine legitime Ehe gewesen. Auch die darauf folgende Vermählung mit der Enkelin des Alemannenherzogs Gotfried, dem gerade erst 13jährigen Schwabenmädchen Hildegard – der hl. Karl machte ihr in zehnjähriger Ehe fast jedes Jahr ein Kind (S. 498), dann starb sie –, entsprach nicht kanonischen Grundsätzen, ohne daß die Kirche, soweit wir wissen, jemals Einspruch erhoben hätte.
Das konnte die Päpste auch kaum stören. Aber der Verlust ihrer Güter! Stephan wähnte sich von den Franken verlassen. Und fast noch während er gegen die Langobarden intrigierte, hetzte, sie unflätig beschimpfte, knüpfte er zu ihnen bereits Kontakt. Hatte er sie eben mit allem Abscheu diffamiert, ihnen jede Menschlichkeit abgesprochen, hatte er ihren König stets »vernichtest« genannt, so hielt er es nun schnell mit ihm.
Der jähe Schwenk fiel der Heiligkeit um so leichter, als es am Hof eine langobardische Partei gab, an deren Spitze der Kammerherr Paul Afiarta (von Desiderius mit »Spenden« gekauft) und der Herzog Johannes standen, Stephans eigener Bruder. Dagegen wurden die Führer der fränkischen Faktion der neuen Politik geopfert. Der römische Oberpriester zögerte nicht, den Primicerius seiner Kirche, Christophorus, und dessen Sohn, den Sacellarius Sergius, denen er selbst die Papstkrone verdankte, an den Langobardenkönig zu verraten, da sie ihm jetzt bloß im Weg waren. Beide versuchten noch im Einvernehmen mit dem Frankengrafen Dodo, einem Abgesandten Karlmanns, einen Gewaltstreich, die Ergreifung Afiartas, vielleicht sogar ein Attentat auf den Papst. Sie brachen in den Lateran ein, doch Afiarta entkam ihnen, und der Papst floh zum Langobardenkönig, der als Wallfahrer nach Rom zum Beten am Apostelgrab gekommen war, vorsorglich mit seiner Armee, denn natürlich wollte er die frankophile Faktion an der Kurie liquidieren.
Afiartas Anhang schleppte Christophorus samt Sohn vor die Stadtmauer, fesselte die Opfer an Pfählen und riß ihnen vor einem begeistert heulenden Volkshaufen Augen und Zunge aus. Christophorus starb nach drei Tagen im Kloster der hl. Agatha. Der gleichfalls geblendete Sohn Sergius verschwand erst im Kloster auf dem Clivus Scauri, dann in einem Verlies des Laterans, bis schließlich der Blinde, unter Mitwirkung hoher Kirchenbeamter und Papst Stephans Bruder, geprügelt, gewürgt und, noch halb lebendig, verscharrt worden ist.
Derselbe Papst aber, der sonst Desiderius so gern mit dem Attribut »vernichtest« bedacht hatte, der preist ihn nun Königin Bertrada und König Karl als seinen Retter, habe er ihn doch vor den ruchlosen Anschlägen des Primicerius, aus dem Komplott mit dem Grafen Dodo und dessen teuflischen Einflüsterungen, gerettet. Derselbe Papst, der nur wenige Monate zuvor die Langobarden eine stinkende Rasse genannt, von der der Aussatz ausgegangen, der schreibt jetzt an Bertrada und Karl, »daß es uns mit Hilfe unseres Sohnes, des Langobardenkönigs Desiderius, der sich gerade bei uns befand, um seine Verpflichtungen gegen den heiligen Petrus zu erfüllen, gelang, samt unserer Geistlichkeit uns nach St. Peter zu retten«. Und betont einige Zeilen später abermals: »Glaubt uns, ohne die Hilfe unseres erlauchten Sohnes, des Königs Desiderius, hätten wir und unsere ganze Geistlichkeit und alle unsere Getreuen den Tod gefunden.« Um kurz darauf zu schließen: »Mit unserem erlauchten und von Gott beschirmten Sohne, dem König Desiderius, haben wir uns im besten Frieden vertragen, indem er alle Gerechtsame des hl. Petrus vollständig anerkannt hat, was Euch auch Euere Gesandten mitteilen werden.«
Allerdings sah sich Stephan III. vom Langobardenkönig bald grob im Stich gelassen und löste deshalb wieder die Beziehung zu ihm. Trat doch überhaupt ein gänzlicher Umschwung der politischen Verhältnisse ein. 13
Widerrechtliche Alleinherrschaft Karls und beginnender Krieg für den Papst
Kurz vor Stephans Tod Ende Januar 772 war
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