Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
III. (768–772) geweiht. Und alsbald begannen unter dem in langem Kuriendienst herangereiften, ebenso gewissenlosen wie schlauen Sizilianer, einem entschiedenen Parteigänger Pauls I., wilde Racheakte.
Man riß Kardinälen und Bischöfen Zunge und Augen aus. Man schleppte den aufgestöberten und entthronten Konstantin im lächerlichsten Aufzug durch Rom in einen Klosterkerker und verkrüppelte ihn dort unter Anführung des Kirchenarchivars Gratiosus, Mörder auch des Herzogs Toto (später selber Herzog). Nicht minder blutig verfolgte man seinen nächsten Anhang, man verstümmelte und blendete. Dem Bischof Theodor, der bis zuletzt Papst Konstantin gestützt, riß man Augen und Zunge aus, sperrte ihn in das Kloster am Clivus Scauri, wo er bald unter scheußlichen Schmerzen starb. Totos Bruder Passivus kerkerte man geblendet im Silvester-Kloster ein. Ihr gesamtes Eigentum wurde beschlagnahmt. Auch mit dem Priester Waldipert, dem Langobardenagenten, der den Priester Philipp auf den Papstthron gebracht, machte man kurzen Prozeß. Zwar suchte er an heiliger Stätte, in der Kirche Santa Maria Maggiore, Asyl, wurde aber mitsamt dem Madonnenbild, das er umklammerte, in ein Lateranverlies geworfen, verstümmelt und umgebracht.
An Ostern 769 tagte man im Lateran. Außer 24 italienischen waren erstmals auch 13 fränkische Bischöfe vertreten. Das unterstrich sozusagen, wie Seine Heiligkeit in der Eröffnungsrede selbst betonte, den ökumenischen Charakter der Sache. Der blinde Konstantin wurde am 12. und 13. April in der Basilika vorgeführt und verhört. Auf der ersten Sitzung bekannte er, mehr Sünden zu haben, als Sand sei im Meer. Er warf sich in den Staub, erklärte aber, daß ihn das Volk gewaltsam zum Papst gemacht, weil es mit Pauls hartem Regiment nicht zufrieden gewesen. Am nächsten Tag, auf der zweiten Sitzung, änderte er seine Taktik. Er nannte Präzedenzfälle für die Bischofsweihen von Nichtgeistlichen, sogar von Verheirateten. Geschickt berief er sich auf das Beispiel zwei der vornehmsten italienischen Kirchenfürsten, des Sergius von Ravenna und des Stephan von Neapel, die man ebenfalls als Laien erhoben habe. Sergius war selber unter den Synodalen. (Und Sergius' Nachfolger, Michael, wurde wieder vom Laien direkt zum Bischof befördert und residierte als solcher über ein Jahr in Ravenna.)
Wahrheiten sind im heiligen Rom unbeliebt. (Denn man hat »die Wahrheit«!) So stürzten sich die versammelten Väter jetzt auch wütend auf Konstantin, ohrfeigten den Entmachteten, schlugen ihn nieder und stießen ihn vor die Kirchentür. Die Akten seines Pontifikats wurden verbrannt, auch die seiner Wahl; sogar Stephan hatte sie unterschrieben. Jetzt aber stimmte der Papst ein Kyrieeleison an und alle warfen sich zu Boden und bekannten sich als Sünder, weil sie mit dem verdammten Konstantin Gemeinschaft gehalten. Zu lebenslänglicher Buße verurteilt, vegetierte er wahrscheinlich bis an sein Lebensende in einem Klosterkerker dahin. Immer wieder zeigt es sich, daß Christen barmherzig sind; nicht jeden Feind bringt man gleich um. Leben und leben lassen, jawohl, auch hier. Katholik Seppelt verkennt das. Er spricht da von »Verwilderung«, einer »verbrecherischen Zügellosigkeit« auch kirchlicher Kreise; »sie erhoben sich nicht über das Niveau der Barbaren. Und was das Schlimmste ist: diese Frevel sind nicht eine einmalige Verirrung geblieben, sondern sie sind nur wie ein Vorspiel der wilden und wüsten Parteikämpfe, die in den folgenden Jahrhunderten noch so oft in den Mauern Roms getobt haben.« 9
Auf der Lateransynode von 769 wurde die Laienbevölkerung zumindest theoretisch von der Papstwahl ausgeschlossen. In den ersten Jahrhunderten dagegen hatte die ganze Gemeinde, auch die Roms, die Bischöfe gewählt. Damals konnte auch jeder Laie sofort Bischof werden, bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts – falls er ehrbar, gastfrei, wahrhaftig, nachgiebig, nicht geldgierig sowie ein guter Gatte und Familienvater war. Wirklich zuviel des Guten. Und noch bis in das 6. Jahrhundert hatte im Westen grundsätzlich die gesamte Gemeinde den Bischof gewählt. Nun jedoch wurde das aktive Wahlrecht auf den römischen Klerus beschränkt und das Volk völlig ausgeschlossen. Nur das Recht der Akklamation behielt es und der Unterzeichnung des Wahldekrets.
Stephans III. Politik konzentrierte sich im übrigen darauf, jede Verständigung zwischen Franken und Langobarden zu verhindern, wobei er sich zuerst auf die eine, dann auf die
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