Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Richtung als ihre Vorgänger« (Konecny) – und werden später die hauptsächlichsten Gegner seiner zweiten Frau Judith. 6
»Neuer Anlauf zur Reform ...« – bis zu fünf Liter Wein und vier Liter Bier pro Tag und Kanoniker
Besonders in den ersten Jahren nach seiner Gesamtregierungsübernahme ließ Ludwig eine Reihe von Synoden nach Aachen einberufen, ließ er schon bald den hohen Klerus zusammentreten, um Details einer großen Kirchenreform zu beraten. War doch für sein Programm der »Renovatio regni Francorum« die Einheit der Kirche die Voraussetzung für die Einheit des Reiches.
So wurde etwa auf dem Tag zu Aachen im Spätsommer 816 in den »Institutiones Aquisgranenses« eine Regel für Kanonissen kreiert, vor allem aber die Kanonikerregel Chrodegangs von Metz erneuert, die dieser hl. Bischof aus einer der »allerersten« Familien »fränkischen Adels« im Sinne der »vita communis« um 755 geschaffen hatte. Gegenüber seiner »Reform« in lokalem Rahmen wurde nun allgemeinverbindlich weiter reformiert, wurde insbesondere »jetzt eine viel stärkere Ausrichtung auch der Kanoniker am mönchischen Ideal angestrebt« (W. Hartmann).
Einen gewissen Begriff davon vermitteln etwa die Speise- und Getränkevorschriften der großen Synode von Aachen 816. Jeder Kanoniker sollte – so »gleich« war man in dieser hochfeudalen Ära bereits – dieselbe Menge an Speisen und Getränken bekommen, jeder nicht nur täglich vier »Pfund« Brot, sondern auch, je nach Gegend, zwischen einem und fünf Liter Wein. Und zusätzlich noch bis zu vier Liter Bier, ebenfalls am Tag! Freilich sieht die Forschung das mönchische »Ideal« erst »angestrebt«. (Oder wie Wilfried Hartmann diesbezüglich titelt: »a) Neuer Anlauf zur Reform«. – Im 12. Jahrhundert bestand das Sonntagsessen des Bamberger Domkapitels aus acht Gängen, im 18. Jahrhundert das Geburtstagsmahl des Ebracher Abtes aus 28.) 7
Was für den hohen Klerus damals (wie heute) im Zentrum des Interesses steht, spiegeln die Dokumente ziemlich getreu, nämlich daß sein Reich »von dieser Welt« ist.
Kampf um das »Kirchengut« und gegen die Eigenkirche
Schon 813 hatte eine Fülle von Kanones der fünf fränkischen »concilia« (in Arles, Reims, Mainz, Chalon und Tours) an das Kirchengut, die Kirchengebäude, Kirchenschenkungen erinnert, ja, jede der fünf Synoden den Zehnt thematisiert. Es beleuchtet übrigens die geistliche Geldgier, wenn (nicht nur seinerzeit) verboten werden mußte, daß in der Kirche Märkte stattfinden! Doch schließlich wurde schon in biblischen Tagen das Haus des Herrn »zu einer Räuberhöhle« gemacht. Nicht verwunderlich, wenn nach Weihnachten 818 ein »conventus« in Aachen »viel über den Zustand der Kirche und Klöster verhandelt«; wenn schon Kapitel 1 der Reichsversammlung 818/819 dem Schutz des Kirchengutes gilt; Kapitel 7 die Schenkungen an die Kirche betrifft, ebenso Kapitel 8; wenn Kapitel 12 die Zehnten neu gegründeter Dörfer, Kapitel 14 noch einmal die Kirchenzehnten, auch die Kirchenneunten erörtert; und wenn das abschließende Kapitel 29 sich abermals den Kirchengütern zuwendet sowie dem Problem der Eigenkirchen, das bereits die Kapitel 6 bis 14 behandelt hatten.
Eine Eigenkirche (ecclesia propria) war ein sogenanntes Gotteshaus (Kloster), das unter privatem Eigentumsrecht, das auf dem Eigentum eines weltlichen oder geistlichen Grundherren stand und diesem in jeder Hinsicht, in wirtschaftlicher und geistlicher, auch absolut unterstand. Wie jeder Landkirche schon im 9. Jahrhundert ihre eigenen Einnahmen und Grundstücke voll und ganz gehörten, so gebot auch der Grundherr einer Eigenkirche über das Kirchengebäude wie über seinen übrigen privaten Besitz. Er verfügte über die ungeschmälerte Nutzung des gesamten Gutes einer solchen Kirche samt ihrer Einkünfte, über Vermögen, Baulichkeiten, Ertrag, über alle Arten von Abgaben, die Zehnten zumal, die Regalien, Spolien etc., wie auch über die Ein- und Absetzung der Kleriker oder (bei Eigenklöstern) der Äbte.
Das Eigenkirchenwesen, bereits in der Antike auf römischem Boden angebahnt, war schließlich in ganz Europa verbreitet und hatte seinen Höhepunkt in den germanischen Staaten des 9. und 10. Jahrhunderts. Seit der Durchsetzung des allgemeinen Zehntgebotes lohnte es sich also, eine Kirche zu bauen und ihr Besitzer zu sein, wurden die Eigenkirchen immer lukrativer, wurden zu begehrten Objekten ökonomischer Spekulation, von Kauf, Tausch, Leihe, Schenkung,
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