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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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versäumen.
    Und die Jagd blieb feudaler, fürstlicher Brauch (um die angebliche Sünde des historischen »Anachronismus« zu begehen) durch die Jahrhunderte. Denn, wie Christian Weiße sagt: »Von allen ritterlichen Lustbarkeiten ist keine, die so sehr den großen Herrn behagt, wie jenes Mörderspiel, die Jagd.« Und Friedrich Heer, der den engen Zusammenhang von Jagd und Krieg, Tierjagd und Menschenjagd besonders im adeligen Leben seit Karls »des Großen« Tagen betont, fordert, die »mörderische Jagdlust dieser hohen Herren« einmal tiefenpsychologisch und metapolitisch zu untersuchen. 13
    Der Jagd frönte und frönt man zwar vor allem des »Vergnügens«, doch auch des Profites wegen, weshalb beispielsweise im Frühmittelalter ein gewisser Othere an zwei Tagen mit nur sechs Gehilfen (»Speeren«) 60 Walrösser umbringt. »Die Abendländer vernichten Wälder, zerstören ›Biotope‹, rotten halbe Tierpopulationen aus«, schreibt Johannes Fried in seinem sehr lesenswerten Werk »Die Formierung Europas«.
    Auch den frommen Ludwig hielt da nichts ab, kein Wunder, kein Zeichen, keine Seuche. Sogar als 820 eine besonders heftige Epidemie unter Mensch und Tier ausbrach, die im ganzen Frankenreich »kaum einen Strich Landes« verschonte, verzichtete der passionierte Nimrod nicht auf »seine gewohnte Herbstjagd«. »Herbstjagd« – eine historiographische Untertreibung. Denn das Verfolgen, Verwunden, das Töten der Tiere in dem – selbst gegenüber Mönchen – eifersüchtig gehüteten Jagdrevier (brolium, foresta, forêt, Forst) genoß man vom Spätsommer bis (zuletzt besonders mit Falkenjagd auf Federwild) oft in den Winter hinein, bevorzugt in Aachen, in den Vogesen, Ardennen, der Eifel, in Franken, dem Hofgut Frankfurt etwa, in Kreuznach. Doch war auch die Gegend um Paris von den Merowingern der ausgedehnten Forste wegen zum Aufenthalt gewählt worden, und Jahrhunderte später noch gab es dort nicht weniger Wald.
    Dazu kamen spezielle Mordgehege in nächster Nähe der Pfalzen – die Karolinger hatten ihre eigenen »Jagdpfalzen« (später gab es auch besondere Jagdtraktate) – zwecks Jagd mit kleinem Gefolge, gelegentlich mit Staatsgästen und Staatsschmäusen. So lud Ludwig den Dänenkönig Harald bei seinem Besuch in Ingelheim zur Jagd auf einer Rheininsel ein, mit anschließendem Hirsch-, Reh-, Eberbratenessen, mit erlegten Bärenteilen – »und auch der Klerus erhält manches treffliche Stück«, alles mitten im Forst unter einem luftigen Zelt. Ja, erst »Herbstjagd«, dann, »nach hergebrachter und ihm stets teurer Sitte«, schon wieder »Geburtstag des Herrn und das Osterfest« samt folgendem Sommerkrieg. Darauf die feisten Hirsche. Dann die geilen Eber – der Kaiser »vergnügte sich wie gewöhnlich im Herbst mit Jagen«; »vergnügte sich bis zur Winterzeit in den ... Wäldern mit der Jagd«; »jagte hier solange es ihm gefiel und die nahe Kälte des Winters zuließ«; trieb »so lange es ihm beliebte Fischen und Jagen«. Danach schon wieder, »würdig, wie es sich gehörte«, diverse Feste, besonders »das Geburtsfest des Herrn und die übrigen«, vor allem auch das seiner Auferstehung. Und nun erneut ein frisch-fröhlicher kleiner Krieg. »Im Monat August aber, wenn die Hirsche ...«
    Das liest sich wie Satire, ist aber nicht meine Regie, ist die der Herren selbst. Es sind die Höhepunkte des kaiserlichen Christenjahres. Und manchmal dominiert die Jagd das ganze Jahr. Anno 825 beispielsweise. Kaum war zu Aachen »das heilige Osterfest« gefeiert, Anfang April, »bei lachendem Frühlingswetter, begab er sich zur Jagd nach Nymwegen«. Mitte Mai Rückkehr zu einem Reichstag nach Aachen, dann ab »in den Wasgenwald nach Remiremont zur Jagd«; »nach dem Schluß der Jagd nach Aachen«, im August ein weiterer Reichstag, darauf wieder nach Nymwegen und »kehrte nach dem Schluß der Herbstjagd zu Anfang des Winters nach Aachen zurück«.
    Regieren ist anstrengend. Man braucht Entspannung. Nicht nur durch Töten von Hirschen, Damwild, Hindinnen, Sauen, auch durch das von Wölfen, Bären, Büffeln (bubalus), Auerochsen (urus) u.a. Es gab mancherlei Tiere im deutschen Wald. Und sie warteten nur darauf, für den Kaiser ihr Blut zu vergießen. Und für die Aristokratie natürlich, die ja auch das »Wild« zu Tode hetzte, vom Pferd aus darauf einstach, es erstach, es schoß und erschoß, auf der Pirsch, bei der Hetze, mit speziellen vierbeinigen Verfolgungs-, Greif-, Zerreißrudeln.
    Hatten die edlen Weidmänner

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