Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Erbschaft u.ä., kurz die »Gotteshäuser« wurden zu »einer rentablen Kapitalanlage« (Schieffer), einem »gewinnbringenden Unternehmen« (Nylander).
Damit hängt sicher entscheidend zusammen, daß die Kirche das von ihr zunächst lange geduldete, schon seit karolingischer Zeit faktisch wie rechtlich anerkannte Eigenkirchenwesen allmählich im Hochmittelalter bekämpft. Dabei, bemerkenswert, bestreitet sie zuerst, um den Schein zu wahren, als offenbar besonders schlimm, die Verfügung von Laien über geistliche Ämter an den Eigenkirchen, dann aber die ihr gewiß weit wichtigere private Nutzung durch Laien bis zur Androhung der Exkommunikation und schließlich zum grundsätzlichen Verbot – während davon die Eigenkirchenherrschaft der Bischöfe und Klöster unberührt bleibt! 8
So hat Ludwig der Fromme, stark unter kirchlichem Einfluß stehend, auch gewisse radikale agrarpolitische Neuerungen hinsichtlich des Kirchengutes intendiert, sollten die grundbesitzenden Laien doch um wesentliche Einnahmequellen gebracht werden, überhaupt jeden Einfluß auf die Besetzung von Kirchenämtern verlieren, wodurch der Kaiser in schroffen Gegensatz zum Adel geriet.
Immer wieder indes erinnern die Bischöfe an das für Staatszwecke verwendete »Kirchengut«, an das an diesem Gut begangene »Unrecht« und an seine Rückgabe. So auf dem Reichstag von Attingny 822, ein Jahr später schon wieder auf dem Reichstag vom Compiègne. Und in weiteren Erklärungen davor und danach.
In einer Rede vor der Synode 822 macht sich für das Kirchengut auch der berüchtigte Erzbischof Agobard von Lyon stark, dessen große Lebensaufgabe die »Verchristlichung der Welt« war (Boshof) und die – vom Kaiser offenbar nicht gebilligte – Bekämpfung der Juden (die Agobard in fünf Traktaten attackiert, wobei schon er den Nazislogan »Kauft bei keinem Juden« vorwegnimmt!). Das Kirchengut aber sollte so sakrosankt wie möglich sein. Folglich erklärt der Erzbischof alle Kanones für unverletzlich, da sie auf den Konzilien in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift und unter Mitwirkung des Heiligen Geistes entstanden. Ergo sei jeder Verstoß ein Widerspruch gegen Gott, jede Säkularisation von Kirchengut eine Verletzung göttlicher Rechte.
So macht man das: alles, was der Klerus haben, an sich raffen, behalten will, gehört Gott. Und Gott darf man auf keinen Fall prellen! (Gott freilich, das muß die gläubige Welt lernen, ist in praxi stets der geld-und machtgeile Prälatenhaufen.)
Ludwig der Fromme hat auch die Ausnahmestellung der Klöster in der Volkswirtschaft gefestigt und gefördert durch Erteilung zahlreicher Zollfreiheiten, Münzrechte, Gebührenbefreiungen, durch Verzicht auf Heerespflichtleistungen, was sich unter seinen Nachfolgern fortsetzt, wo vor allem Markt- und Münzverleihungen immer häufiger vorkommen. 9
Ehereform und Mondfinsternisse oder Vom Aberglauben des Kaisers
Daß sich ferner unter dem pfaffenhörigen Herrscher der Tugend- und Moralkodex der Kirche noch mehr verbreitete, wenn auch, wie üblich, oft nur auf dem Papier, wird kaum wundernehmen. Besonders gilt dies für Ludwigs Eherecht und seine Ehepolitik. Er identifizierte sich, hier nicht gerade zum Vorteil des Staates, voll mit den Wünschen des Klerus. Hatten nämlich die christlichen Merowinger noch kräftig der Polygamie gefrönt (s. etwa IV 99), ähnlich die frühen Karolinger, ja stand die Konkubine noch lange fast gleichrangig neben der Ehefrau, so daß sie selbst die Kirche zeitweise tolerierte, wie etwa die Synode von Mainz (852 c. 15) bezeugt, so duldete Ludwig der Fromme sogar das monogame Konkubinat nicht mehr.
Zunächst zwar hatte er offenbar selbst im Konkubinat gelebt. Schon 794, ungefähr sechzehnjährig, war er mit Ermengard, der Tochter des Grafen Ingram aus der Familie der Robertiner, verbunden worden, wohl um ihn vor Ausschweifungen, vor – so sein anonymer Biograph – »den natürlich hitzigen Trieben seines Fleisches« zu bewahren. Ja, anscheinend hatte er bereits vorher Beziehungen zu Frauen, denen Alpais und Arnulf entstammten. Doch seit seiner Alleinregierung lebte er in erster wie in zweiter Ehe ganz gemäß dem kanonischen Recht, nahm weder eine Kebse noch löste er eine Ehe eigenmächtig auf, wie er denn auch seine Kinder in Vollehen verheiratete, zumindest die ihm von Ermengard geborenen Söhne, Lothar (795), Pippin (um 797) und Ludwig (806), während die eine oder andere seiner Töchter, Rotrud und Hildegard, vielleicht erst
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