Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
haben mögen –, mit Selbstverfluchung also, Johann XII. habe nicht nur die genannten, sondern noch viel mehr der schändlichen Verbrechen begangen. Und auch der Biograph des Papstes schildert ihn im »Liber Pontificalis« gänzlich negativ.
In der dritten Sitzung, am 4. Dezember 963, drängten die Bischöfe, wie von Otto natürlich erwartet, wenn nicht befohlen: »Wir bitten daher die Herrlichkeit Eurer kaiserlichen Würde, jenes Ungeheuer, dessen Laster durch keine Tugenden aufgewogen werden, aus der Heiligen Römischen Kirche auszustoßen ...« Und so wurde, entgegen der Bestimmung, daß der Papst – was man bei Leos III. und Paschalis' I. Prozessen beachtet hatte – von niemanden gerichtet werden dürfe, wurde Johann XII., der gar nicht gehört, auch nicht verteidigt, auch nur zweimal statt, wie kanonisch erforderlich, dreimal vorgeladen worden war, wurde Johann, der Otto erst unlängst gesalbt und gekrönt, auf dessen Wunsch an jenem Tag einstimmig abgesetzt und, ebenfalls entgegen der Kirchensatzung, ein neuer Papst, der Kandidat des Kaisers selbstverständlich, im Petersdom, angeblich una voce, am 6. Dezember 963 erhoben: Leo VIII. (963–965). Da der bisherige Kanzleivorstand Leo noch Laie war, verpaßte man ihm, die kirchlichen Kanones wieder schwerstens verletzend, im Schnellverfahren alle Weihen, vom untersten der ordines minores, dem Ostiarius (Türhüter, etwa Mesner), über den Lektor, Akolythen, Subdiakon und Diakon bis zum Priester, an einem Tag und ordinierte ihn am 6. Dezember durch Kardinal Sico von Ostia mit Assistenz der Bischöfe von Porto und Albano zum Papst. 71
Der Umsturz aber machte böses Blut in Rom.
Johann/Oktavian war immerhin der Sohn des »großen Alberich«, war Fürst und Kirchenhaupt der Römer. So kam es am 3. Januar 964 zu einem von ihm selbst angezettelten Anschlag auf den Kaiser, wofür der nach Korsika geflüchtete Pontifex als Lohn »den Schatz des heiligen Petrus und sämtlicher Kirchen« (beati Petri omniumque ecclesiarum pecuniam) versprochen haben soll – der erste Aufstand der Römer gegen einen deutschen Kaiser, ein mörderischer Straßenkampf, den Otto, noch am selben Tag gewarnt, freilich niederschlug, da seine »kampfgewohnten Krieger, unerschrocken im Herzen und im Gebrauch ihrer Waffen«, sich auf die Empörer stürzten – »und trieben sie wie Jagdfalken einen Vogelschwarm ohne Widerstand in die Flucht. Nicht Schlupfwinkel, nicht Körbe, nicht Tröge, nicht die Abwasserkanäle konnten die Fliehenden schützen. Sie wurden also niedergemacht und, wie es tapferen Männern zu geschehen pflegt, allenthalben im Rücken verwundet. Welcher hätte damals von den Römern dieses Blutbad überlebt, wenn nicht der heilige Kaiser aus Barmherzigkeit, die man ihnen doch nicht schuldig war, seine nach Blut dürstenden Krieger zurückgehalten und abgerufen hätte?«
Ach, der barmherzige, große, der heilige Kaiser, dem dann auch die Römer über St. Peters (vermeintlichem) Grab abermals Treue schwuren und hundert Geiseln stellten, die er, auf Bitte seines Papstes, bald wieder laufen ließ. Doch kaum war er abgezogen, wurde Leo VIII., »ein Lamm unter lauter Wölfen«, im Februar 964 aus der Heiligen Stadt vertrieben, und Johann XII., für den sich seine zahlreichen Mätressen, »da sie von vornehmem Geschlechte und ihrer viele waren«, mächtig und erfolgreich ins Zeug legten, kehrte im selben Monat zurück. Widerstandslos öffnete man ihm die Tore.
Der Papst nahm nun recht christlich Rache an seinen beiden einst zu Otto gesandten Legaten, ließ dem Kanzleivorsteher Azzo die rechte Hand, dem Kardinal Johann Nase, Zunge und zwei Finger abschneiden. Der deutsche Vertreter in Rom, Bischof Otger von Speyer, wurde nach päpstlicher Anweisung ausgepeitscht und eingekerkert. Auf einer Synode in St. Peter Ende Februar, feierlich eröffnet durch das Hereintragen der vier Evangelien, erkannten fast dieselben Kardinäle, die Johann XII. vor drei Monaten abgesetzt, ihn jetzt wieder an. Und fast dieselben Kardinäle, die den flüchtigen Leo VIII. erhoben hatten, exkommunizierten ihn nun. Die Bischöfe von Porto und Albano, bei Papst Leos Ordination besonders beteiligt, verfielen der Suspension, Kardinal Sico von Ostia dem Ausschluß aus dem Klerus.
Doch wurde Johann XII. seines Sieges nicht froh. Vor dem anrückenden Kaiser wich er in die Campagna aus. Und dort starb er »in einem Ehrenhandel« (Kämpf) noch am 14. Mai 964, wenige Tage nach einem Ehebruch, »als er sich mit der Frau
Weitere Kostenlose Bücher