Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Wie etwa jener unbekannte Dichter in seiner Apostrophe an Rom:
»Niederes Volk, von den Enden der Erde zusammengelaufen,
›Knechte der Knechte‹ fürwahr, heißen jetzt Deine Herrn ...
Schmutzigen Bastarden liegest du jetzt im Staube zu Füßen ...
Allzu sehr überwand Habsucht und Geiz deinen Sinn ...
Grausam hast du der Heiligen Leiber im Leben verstümmelt;
Jetzt ist der Toten Gebein gut dir zu jeglichem Kauf,
Und wenn die Erde gierig des Lebens Reste vertilgte,
Hältst du immerhin noch falsche Reliquien feil.«
Nun gibt es freilich christliche Köpfe, die all dem noch heute viel Geschmack abgewinnen, die wie immer aparte Patina des Morbiden goutieren und das Kunststück vollbringen, die Häupter der Hydra selbst zu verklären. So meint Katholik Daniel-Rops im Hinblick auf das papale Horrorarsenal, daß »diese Einzelheiten, wie man gestehen muß, auch romantisch und fesselnd sind wie ein Roman von Alexander Dumas«. Allerdings dürften »Skandalaffären –, Gewalttaten, die zu jeder Zeit (!) den päpstlichen Thron beschmutzen, nicht dem von Christus eingesetzten heiligen Amt angelastet werden, sondern der Unterdrückung, die es erleiden mußte«. 75
Daß solchem Maule nicht schlecht von sich selber wird! Von Phrasen, kläglicher doch fast noch als was sie bemänteln ...
Papst Johann XIII. (965–972), wohl ein Sohn Theodoras d.J., der Schwester Marozias, war laut dem »Liber pontificalis« der Sohn eines Bischofs. Während des Schismas zwischen seinen Vorgängern Leo VIII. und Johann XII. hatte er sich zweideutig verhalten, opportunistisch; hatte Johann XII. angeklagt, darauf für Leos Erhebung gestimmt, dann dessen Absetzung unterzeichnet. Johann XIII., herrschsüchtig und germanophil, kooperierte eng mit dem Kaiser, hielt mit diesem gemeinsam Synoden in Rom und Ravenna. Er verfeindete sich mit dem heimischen Adel und dem Volk. Er förderte rücksichtslos seine Verwandten und wurde schon nach wenigen Monaten, Mitte Dezember, von den Römern unter Führung des Stadtpräfekten Petrus und des kampanischen Grafen Rotfred gestürzt, verhöhnt, mißhandelt, erst in der Engelsburg, dann in der Campagna unter Rotfreds Aufsicht eingekerkert. Mit Hilfe von Verwandten konnte er jedoch anfangs 966 fliehen und nach allerlei Scharmützeln mit seinen Gegnern im November 966 an der Spitze eines Heeres aus kaiserlichen und eigenen Soldaten im Triumph nach Rom zurückkehren.
Kurz darauf ließ dort Otto – der große, von Gott gekrönte Cäsar, der dritte Konstantin, wie ihn der Papst in einer Bulle pries – die am Aufstand beteiligten Adeligen nach Deutschland deportieren, die Führer des Volkes aber, die zwölf Milizkommandanten der zwölf Regionen Roms, dazu einen dreizehnten aus Trastevere, hängen. Für den auf der Flucht ergriffenen Stadtpräfekten Petrus hatte sich Seine Heiligkeit selbst, immerhin ein Beweis kreativer Phantasie, eine bizarre Spezialbehandlung ausgedacht, die in papalem Kreis sogar eine gewisse Schule machte. Erst wurde der Namensvetter des Apostelfürsten auf päpstlichen Befehl mit geschorenem Bart an den Haaren aufgehängt. Dafür mißbrauchte der Heilige Vater als Pranger die Reiterstatue Marc Aurels, die man (irrtümlich) für ein Monument des hl. Kaisers Konstantin I. hielt (den sog. Caballus Constantini), weshalb sie vor dem Lateran stand. Dann wurde der Nackte mit einem Kuheuter an Kopf und beiden Hüften nebst Glöckchen garniert und rücklings auf einem Esel unter Schlägen durch die Stadt getrieben, wobei Petrus das Gesicht gegen den Schwanz des Tieres (sein Zügel sozusagen) halten mußte. Er wurde eingekerkert und endlich nach Deutschland exiliert. Der Kerkermeister des Papstes in der Campagna, Graf Rotfred, war bereits erschlagen, allerdings auf kaiserliche Anordnung wieder ausgegraben und vor die Stadt geworfen worden. 76
Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der Klerus
Von 961 bis zu seinem Tod 973 weilte Otto I. nur noch selten in Deutschland. Zehn von seinen letzten zwölf Lebensjahren verbrachte er in Italien, in dessen Süden drei Kriege führend, gegen die moslemischen Araber und das christliche Byzanz. Nördlich der Alpen und im Westen, wo er gegen Frankreich die Hegemonie, ja eine faktische »Mitregentschaft« errungen und Burgund in Abhängigkeit gebracht hatte, wurde er durch Erzbischof und Erzherzog Brun vertreten. Die Erziehung und Vormundschaft seines Sohnes Otto II. lag in den Händen von Erzbischof Wilhelm von Mainz. Der Regent selbst hielt sich
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