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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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sprechen von einem nicht »rein« defensiven Markengürtel, einem ungemein flexiblen Grenzsicherungssystem, einer sehr bewegten Außengrenze der christlichen Welt von der Ostsee bis zur Adria, von der Behauptung und dem Ausbau des durch die strategische Weitsicht Karls I. Errungenen etc.
    Doch so schön wie sich die Sache anhört, war sie nicht. Die unentwegten Heerfahrten über die Grenzen hinweg sprechen da eine ebenso deutliche Sprache wie nicht wenige fränkische Grenzkastelle, die, zumal an strategischen Schlüsselpunkten, stets auch Ausfalltore sind; im Norden gegen die Dänen etwa die Feste Esesfeld bei Itzehoe, im Osten an der Elbe Burg Höhbeck auf dem Hochufer gegenüber von Lenzen, oder Magdeburg, oder auch Halle an der Saale. 40

Slawisches Wurmzeug und fränkisches Gottesvolk

    Die Slawen waren Heiden und selbst in christlichen Ländern wie Thüringen, Hessen, den ostfränkischen Gauen länger »Ungläubige« geblieben als die sonstigen Bewohner. Ihre Kultur stand nachgewiesenermaßen höher als zeitweise und gelegentlich noch heute angenommen. Wir haben – und nicht nur hierbei – zu bedenken, daß die fränkisch-deutschen Berichte über die Slawen lange Zeit hindurch, vom 7. bis zum 11. Jahrhundert, fast ausnahmslos von christlichen Priestern stammen, die zudem oft selbst nicht Augenzeugen waren, sondern häufig aus zweiter oder dritter Hand schöpften. Und befand man sich, wie meist, mit den Slawen im Krieg, beschimpfte man sie. War man aber mit ihnen verbündet, wurden sie plötzlich gelobt, wobei man zuweilen noch betonte, daß sie dies »in bewunderswerter Weise verdienten«.
    Differieren auch karolingische und ottonische Historiographie in ihrer Beurteilung, herrscht doch seit langem ein gewisser Volkshaß vor, falls nicht gar Erbfeindschaft besteht, nicht zuletzt aus religiösen Gründen, aus dem Gegensatz von Heiden und Christen, und das schon seit der Merowingerzeit. Später verdammt man die Slawen gern pauschal. Je christlicher die Welt wird, desto böser werden die andern. Sind ja überhaupt alle »Bösen«, das heißt von Gott abgewandten Menschen, alle »Ungläubigen« also, nach mittelalterlicher, von Augustin (I 503 u. 514 ff.) und von Papst Gregor »dem Großen« (IV 171 ff.) beeinflußter Ansicht, gentiles, infideles, pagani, kurz »Teufelsgenossen, die man mit allen Mitteln zu vernichten hat, wenn sie sich nicht zur Gottessache bekehren« (Lubenow).
    Slawen schienen den Christen nur als »Sklaven« tauglich – ein ja von »slavus« abgeleitetes Wort – oder reine Mordobjekte zu sein, Leute, die von frommen Katholiken etwa als »Wurmzeug« verhöhnt und »wie das Gras auf der Wiese gemäht« worden sind, Untermenschen eben, Tiere. »Was wollt ihr mir mit diesen Kröten?«, läßt Mönch Notker von St. Gallen einen christlichen Recken bramarbasieren. »Sieben oder acht und sogar neun von ihnen pflegte ich auf meine Lanze aufgespießt und irgend etwas brummend mit mir herumzuschleppen.« Die Slawen waren auch grundfalsch, heimtückisch. »Die Wenden«, so nicht nur die »Jahrbücher von St. Bertin«, »wurden in ihrer gewöhnlichen Treulosigkeit gegen Ludwig wortbrüchig.« Hatte sie doch schon der hl. Bonifatius, der »Apostel der Deutschen«, »das abscheulichste und schlechteste Geschlecht der Menschen« (foedissimum et deterrimum genus hominum) geschimpft und sie so sehr verachtet, daß er in all seinen vom Missionierungswahn geprägten Briefen nie davon spricht, auch den Slawen zu predigen. 41
    Dagegen fühlten sich die Franken – die als Christen doch hätten »von Herzen demütig« sein sollen, wie es Mt. 11,29 und analog an ungezählten Bibelstellen heißt – als »erhabenes Volk«, als etwas ganz Besonderes. Schon der Prolog der bereits auf Chlodwig I. zurückgehenden »Lex Salica« (das älteste westgermanische Volksrecht) zeigt dies drastisch: »Der berühmte Stamm der Franken, der von Gott selbst geschaffen wurde, mutig im Krieg und ausdauernd im Frieden, [...] von edler Gestalt und makellosem Glanz und außergewöhnlicher Schönheit, wagemutig, schnell und draufgängerisch, zum katholischen Glauben bekehrt und gegen jede Häresie gefeit [...]. Es lebe Christus, der die Franken liebt.«
    Und nach Otfrid von Weißenburg (gest. nach 870), dem ersten namentlich bekannten deutschsprachigen Dichter, einem puer oblatus und Theologen, gelegentlich vielleicht an Ludwigs des Deutschen Hofkapelle tätig, sind die Franken ein gottesfürchtiges Volk, ist Gott überall mit ihnen;

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