Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Arbeitsmittel. Sozialisation war nichts als Eingewöhnung in diesen Arbeitsprozeß ... Die Arbeit definierte den Tagesablauf, die Jahresphasen, die Lebensabschnitte ... Arbeiten und Leben fiel zusammen«. Fast ein Drittel der Bevölkerung des ost- und westfränkischen Reiches kam damals um. Noch im folgenden Sommer riß ein Regenhochwasser allein in Eschborn (westlich von Frankfurt) 88 Menschen in den Tod. Selbst »die Dorfkirche wurde samt ihrem Altar vernichtet, so daß sie denen, welche sie eben noch sahen, keine Spur ihrer Erbauung ließ« – und alles natürlich »als Folge unserer Sünden« (Annales Fuldenses). 47
Wie unter den Karolingern kooperierten Staat und Kirche bei den Vorstößen der Ottonen, der Salier gegen die Elbslawen, der polnischen Herzöge gegen die Pommern, bei den Missionsunternehmen des Erzbistums Bremen-Hamburg. Immer ist da das »Ideelle und Religiöse ... sehr verschlungen ... mit weltlichen Motiven« (Bünding-Naujoks); ist die Ausweitung des christlichen Reiches jenseits der deutschen Ost- und Nordgrenzen »stets ein gemeinsames Werk der Kirche und des Staates, der Predigt und der Nötigung gewesen; die Arbeit des lehrenden und taufenden Priesters folgte der kriegerischen Eroberung oder geschah nach erfolgter Zulassung« (Bauer).
Man hat errechnet, daß die katholischen Franken und Sachsen in einem Zeitraum von nicht ganz 400 Jahren, vom Zug nämlich Karls »des Großen« zu den Liutizen 789 bis zu Friedrich Barbarossas und Heinrichs des Löwen Überfall auf Polen 1157, gegen die Slawen 170 Kriege führten! 20 davon endeten mit einem Fiasko für die kaiserlichen Truppen, kaum ein Drittel soll für sie erfolgreich gewesen sein.
In den ersten frühmittelalterlichen Jahrhunderten kannten die Slawen kaum ein gesamtslawisches, all die vielen Stämme, Kleinstämme, die »civitates« verbindendes Gemeinschaftsbewußtsein. Doch änderte sich ihre politische und soziale Struktur beträchtlich, wuchs die Macht der Stammesfürsten wie der Stammesaristokratie, kam es allmählich zur Konsolidierung von Stammesstaaten. 48
Auch gab es im 7. und 8. Jahrhundert schon slawische Fürstentümer. Einem solchen Verband stand etwa der »Herzog« (dux) Dervanus der Sorben vor, der sich nach 632 dem fränkischen Kaufmann Samo, dem Begründer des ersten Slawenreiches (620–658) überhaupt, anschloß, nachdem dieser in der dreitägigen Schlacht bei Wogastisburg (an der Eger) den Merowingerkönig Dagobert I. katastrophal geschlagen hatte (IV 236). Und um 740 bildete sich in den Ostalpen bei den Karantaner Slawen ein Herzogtum, dessen christenfreundlicher dux Boruth den Bayernherzog Odilo gegen die Awaren zu Hilfe rief, kurz bevor diesen selber Pippin III., sein Schwager, durch eine heimtückische nächtliche Attacke auf das schlafende Bayernheer besiegte (IV 328 f.).
Im 9. Jahrhundert aber entstand auf slawischer Seite das Großmährische Reich, und im 10. entwickelten sich zwei weitere größere Slawen-Staaten: erst Böhmen, unter dem tschechischen Fürstenhaus der Premsliden, dann Polen unter den Piasten.
Die Ludwig-Sippe: Milde Arbeit unterm Kreuz und »des Schwertes blutiges Schaffen«
Nur lose vom Frankenreich abhängig, war Großmähren zunächst weder frankenfreundlich noch christlich, stand jedoch immer wieder unter dem militärischen Zugriff des ostfränkischen Reiches und dem missionarischen der ostfränkischen Kirche (Passaus nach Mähren, Regensburgs nach Böhmen). Gelegentlich aber expandierte es auch auf Kosten seiner Gegner, wobei zu den heftigen kriegerischen Konflikten noch der kirchenpolitische Gegensatz kam zwischen dem römischen Bischof und dem Patriarchen von Konstantinopel, ja, kurzfristig sogar zwischen Papst und ostfränkischem Episkopat. 51
Das Christentum war spätestens um die Wende zum 9. Jahrhundert in Mähren eingedrungen, wo es einige Jahrzehnte darauf auch Steinkirchen gab. Grabungen in Mikulcice, der Metropole des Großmährischen Reiches, haben im Innern einer gewaltigen, aus dieser Zeit stammenden Festungsanlage von 6 Hektar allein fünf Kirchen freigelegt. Und auf dem Gelände der rund 100 Hektar umfassenden Vorburg erhoben sich wenigstens fünf Kirchen innerhalb der befestigten Areale von Adelshöfen.
Selbstverständlich erwehrten sich die Slawen mit Gewalt der ihnen drohenden Religion und der feudalen Unterdrückung, wobei ihr Widerstand eher wuchs, die Kriege immer härter, grausamer wurden. Das tatsächliche Ziel war: Machterweiterung und Ausbeutung, die
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