Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
Saint-Denis, sogar die Abtswürde beanspruchte, den »Thron Gottes« nicht nur, sondern er kooperierte auch eng mit ihm. Kein anderer als Pippins I. einstiger Kanzler, Bischof Ebroin von Poitiers, führte als Erzkapellan Karls Hofgeistlichkeit an. Und Hugo, den illegitimen Karlssohn (von der Konkubine Regina), den Abt von St-Quentin und St-Bertin und letzten Kanzler Ludwigs des Frommen, machte Karl zu seinem ersten, bevor der Abt für ihn bei Angoulême gefallen ist.
    Vor allem aber erhob Karl den adligen Mönch Hinkmar aus dem Kloster Saint-Denis 845 zum Nachfolger des Ebo von Reims. Freilich, Erzbischof Hinkmar, der wohl einflußreichste fränkische Prälat der Zeit (der auch, sehr subjektiv, ganz im Hinblick auf seine bischöflichen Ziele, von 861 bis 882 die Annales Bertiniani schrieb, wobei der versierte Fälscher natürlich nicht zögerte, auch den Text seines Vorgängers zu fälschen), unterstützte zwar Karls mißlungenen Annexionsversuch gegen das Mittelreich, widersetzte sich aber scharf seiner Kaiserpolitik und seinen Italienzügen.
    Schon ein Jahr nach der Krönung des Königs in Orléans (848) fiel ihm Pippins jüngerer Bruder Karl in die Hand. Der Monarch war nicht nur sein Onkel, sondern auch sein Taufpate (patrem ex fonte sacro), dem damals etwa Zwölfjährigen somit verwandtschaftlich wie kirchlich besonders verbunden. Gleichwohl erpreßte er von dem jungen Prinzen, dem eventuellen Prätendenten, auf der Reichsversammlung in Chartres von der Kanzel herab die Aussage, er wolle, so die Jahrbücher von St. Bertin, »aus Liebe zum Dienste Gottes ohne jedwede Nötigung Kleriker werden«; worauf ihn die Prälaten sofort schoren und ins Kloster Corbie steckten. Und als er Karls Bruder Pippin II., den König, im Herbst 852 in seine Gewalt bekam, ließ er auch ihn »mit Zustimmung der Bischöfe und Großen« (Regino von Prüm) – übrigens in derselben Kirche von Soissons, in der man auch Ludwig den Frommen zu Kreuz gezwungen (S. 80 ff.) – scheren und im Kloster zum hl. Medardus inhaftieren. 27
    Ein erster Fluchtversuch Pippins mit Hilfe zweier Priester, Mönche des Hauses, mißlang; er mußte Karl auf einer Synode 853 in Soissons den Treueid leisten, mußte ein förmliches Mönchsgelübde ablegen, noch einmal in eine Kutte kriechen und wieder in Klosterhaft. Es war das Jahr, in dem fast alle Aquitanier von Karl abfielen, und im nächsten, von ihnen gerufen, Ludwig der Deutsche seinen Sohn Ludwig III. den Jüngeren schickte, der bis in den Raum von Limoges vorstieß. Karl zog gleichfalls nach Aquitanien, sogar »in der Fastenzeit« und über das »Osterfest«, wie die Annales Bertiniani rügen; »sein Heer aber tat nichts als plündern, brennen und Menschen gefangen wegführen, und selbst die Kirchen und Altäre Gottes blieben von ihrer Gier und Frechheit nicht verschont«.
    Nun hätte Prinz Ludwig, vom Vater für kurze Zeit zum König der Aquitanier erhoben, mit seinen Thüringern, Alemannen, Bayern sich wohl gegen den ungeliebten Karl behaupten können. Doch scheiterte die ostfränkische Invasion in dem Moment, als Ex-König Pippin, den Karl vermutlich hatte entweichen lassen, auf der Bildfläche erschien. Denn zu Pippin stand das Volk, zumindest dessen Majorität, und machte ihn abermals zum König. Er gewann einige Landstriche Aquitaniens zurück, wurde indes, nach Ludwigs Abzug, im nächsten Jahr (855) erneut von Karl angegriffen, der seinen noch minderjährigen Sohn Karl das Kind Mitte Oktober in Limoges auch zum aquitanischen Unterkönig erheben und durch die Bischöfe salben ließ. Die Aquitanier bekannten sich jedoch im Jahr darauf wieder zu Pippin, der nun bei den Bretonen und Normannen Hilfe suchte, doch 864 noch einmal in Karls Gewalt geriet. Und jetzt ließ der den »Verräter am Vaterland und am Christentum« zu »strengster Haft« ins Kloster Senlis, in das Reichsgefängnis des Westens werfen, wo er wahrscheinlich bald umgekommen ist. 28
    Unterdessen hatte Ludwig der Deutsche ein Angebot des westfränkischen Adels, Karls Reich zu regieren, nicht nur 854 akzeptiert, sondern auch noch 858/859. Und zumindest beim zweitenmal konnte sich der bereits nach Burgund geflohene König bloß dank der entschiedenen Haltung der westfränkischen Bischöfe um Hinkmar von Reims behaupten.

Die Slawen sickern ein ...

    Die Slawen, die einige römische Gelehrte der frühen Kaiserzeit (Plinius der Ältere, Tacitus, Ptolemaios) Venedi, die Deutschen dann Wenden nannten, bezeichneten sich selbst nie so, sondern,

Weitere Kostenlose Bücher