Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
wie seit dem 10. Jahrhundert belegt, als Slowenen (Slovenin, Mz. Slovene). Der zuerst im frühen 6. Jahrhundert bezeugte Slawenname Sklabenoi harrt trotz vieler Mühen etymologisch noch der Erklärung. Dagegen steht die davon abgeleitete, um Jahrhunderte jüngere Gleichsetzung von Sclavini, Sclavi (arab. saqaliba) mit slawischen Kriegsgefangenen, mit Sklaven, im Zusammenhang mit dem in den (katholischen und islamischen) Mittelmeerländern, besonders in Spanien, herrschenden Sklavenhandel. Und hier gibt es (im Unterschied, wie man meint, zum »innereuropäischen Frühmittelalter«) eine Kontinuität jener alten Sklaverei, die von der Antike bis in die koloniale Sklaverei der Neuzeit reicht – und vielleicht gibt es diese Kontinuität ja über die angedeutete Begrenzung hinaus.
Ist die slawische Ethnogenese bisher auch nur in Umrissen geklärt, behauptet die neueste Forschung doch einigermaßen übereinstimmend, daß die ursprüngliche Heimat der Slawen »irgendwo nördlich der Karpaten« lag (Vána): im Gebiet des mittleren Dniepr, im Gebiet von Oder und Weichsel, zwischen Oder, Weichsel und dem mittleren Dniepr, vielleicht in der westlichen Ukraine, in der Nähe der großen Pripjetsümpfe. Später spalteten sich diese Slawen in drei Hauptströme. Die Ostslawen (Russen, Ukrainer, Weißruthenen) siedelten um den Dniepr; die Westslawen (Tschechen, Slowaken, Polen, Elb- und Ostseeslawen) um Weichsel und Oder; die Südslawen (Serben, Kroaten, Slowenen, Bulgaren) auf dem Balkan; ein Riesenraum, der sich zwischen Schwarzem Meer, Ostsee, Adria und Ägäis erstreckt. 35
Im 5. und 6. Jahrhundert wurden Slawen von den Kut(r)iguren, dann von den Awaren beherrscht. Diese hatten das westsibirische Flachland am Irtysch erobert, 557 die oströmischen Grenzen erreicht, 561 auch schon die Elbe. Nach der Abwanderung der Langobarden unter König Alboin aus Pannonien und ihrem Einfall 568 in Italien (IV 107 ff.) besetzten die Awaren den mittleren Donauraum, nun das Zentrum ihres ausgedehnten Reiches, dem Bulgaren und zahlreiche Slawenstämme als Hilfsvölker dienten.
Seit der Mitte des 6. Jahrhunderts waren die westlichen Slawen über die Weichsel in die – von den Germanen zur Völkerwanderungszeit zwar nicht überall, doch weithin entleerten – nordost- und mitteldeutschen Räume langsam eingesickert und seit dem ausgehenden 6. Jahrhundert bis Elbe, Saale, Naab und Obermain vorgedrungen. Das heutige Oberfranken war größtenteils Slawenland. »Sie stahlen sich ein wie Diebe«, schreibt der Theologe Albert Hauck; »man weiß nicht, wie und wann sie kamen ...« Schließlich siedelten sie in Ostholstein, im Hannöverschen »Wendland« oder in Thüringen ebenso wie im böhmischen Kessel, in Kärnten, Osttirol, Steiermark, Krain, wo nach und nach die Völker der Polen, Wenden, Tschechen, Slowaken, Mährern entstanden. 36
Wie neue Grabungsfunde beweisen, geschah das Eindringen der Slawen von Südpolen über Böhmen und Mähren bis zum Balkan auf friedlichem Weg. Teilweise saßen dort noch germanische Bauern, teilweise lag da, wie zwischen mittlerer Elbe und mittlerer Oder Mitte des 6. Jahrhunderts, wüstes Gebiet. Eine byzantinische Quelle berichtet um 600, die Slawen hätten es ihren Gefangenen gewöhnlich überlassen, sich loszukaufen oder »frei und als Freunde« bei ihnen zu bleiben. Kriegsuntüchtig, wie manchmal angenommen, waren die Slawen nicht. Vielmehr verbesserten sie allmählich ihre Ausrüstung, Kampfart und Befestigungen; zumal die Grenzslawen standen darin den westeuropäischen Völkern nicht nach.
Im 8. und 9. Jahrhundert wird der gesamte ostelbische Raum von Slawen bewohnt. Sie finden sich aber auch von Ostholstein und Hamburg bis Nordostbayern in menschenreichen Landstrichen. Der Ackerbau florierte, die Vieh- und Waldbienenzucht, das Handwerk, der Handel, so daß ihnen »ein unübersehbarer Anteil an der Formierung der europäischen Zivilisation zukommt« (Fried). Sogar der Prozeß der »Volkwerdung« beginnt bei ihnen, wie bei den Germanen, früher als bei den Romanen, den Italienern, den Franzosen.
Im Norden siedelten die elbslawischen Stämme, die Obodriten von der Ostsee bis zur unteren Elbe, weiter östlich die Liutizen (Wilzen), zwischen Elbe und Saale die Sorben und die Daleminzier. Die Tschechen, erst in späteren Jahrhunderten so genannt, wohnten in den böhmischen Gebirgen, die Mährer zum Teil im Tal der March, die Slowenen (Karantanen) und Südslawen an der Donau und ihren Nebenflüssen.
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