Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
sich auch mit anderen Reformklöstern, mit Fruttuaria, mit Saint-Benigne in Dijon. Er vollzieht die Wiedergründung des Bistums Merseburg (1004), die Neugründung des Bistums Bamberg (1007) sowie des Bistums Bobbio (1014) – »als dritte Zier seines frommen Lebenswerkes« (Thietmar): möglicherweise von der Abtei Bobbio initiiert, die, durch benachbarte Bischöfe viel geplagt, von einem eigenen Bistum Bobbio mehr Schutz erhoffen mochte. Noch heute jedenfalls preist man in hergebrachter Apologetik Heinrichs (und seiner hl. Gattin) Willen »nach einem Leben in der Maßgabe Christi«, spricht man von einer »persönlichen Nachfolge nach der Weisung des Evangeliums« und bescheinigt ihm »eine religiöse Begabung eigener Art« (Guth).
Letzteres mag zutreffen. Denn war Heinrich auch »wahrhaft fromm«, wie Benediktiner Bauerreiss, der bayerische Kirchenhistoriker beteuert, so doch nicht zu fromm, nicht von jener Frömmigkeit des »guten Kerl« etwa, die nur zur unrechten Zeit begegne, nur abstoße. Nein, ein »weichherziger König«, nein, »das wäre auch schlecht«, zitiert Bauerreiss Brun von Querfurt, einen weiteren Heiligen.
Denn natürlich beherrschte der Herzogssohn auch das »Kriegshandwerk«. Beten und töten (vgl. V 16 ff!, 28 ff!), das verband sich da harmonisch. Schließlich war der blutige Streit (freilich nicht nur) in dieser Familie sozusagen ein Herrschaftsrequisit. Schlug sich Heinrichs Vater, der Zänker, doch so mit seinem Vetter, Kaiser Otto II., daß er Freiheit und Herzogtum verlor (V 523 ff.). Und schon Heinrichs Großvater, Heinrich I. von Bayern, der Bruder Kaiser Ottos I., befehdete diesen jahrelang (V 420 ff.). 5
Heinrich der Heilige raubt die Reichsinsignien und wird wider jedes Recht König
Obwohl zunächst nicht für den Thron bestimmt, wurde er von seinem Vater zum Mitregenten (condux) gemacht und nach dessen Tod 995 vom bayerischen Adel zum Herzog gewählt, in Bayern auch sein Griff nach der Krone unterstützt, zumindest allseits toleriert. Sonst freilich war seine Anwartschaft auf den Herrschersitz des so unerwartet und erbenlos gestorbenen Otto III. alles andere als unbestritten. Gab es doch weder einen direkten Leibeserben noch eine vorherige Designation, wohl aber mehrere Bewerber und uneinige Fürsten, die alle eigene Wahlversammlungen einzuberufen beschlossen. Zwar war Heinrich ein Urenkel Heinrichs I., ein Großneffe Ottos I., ein Vetter zweiten Grades Ottos III. Doch gab es auch des letzteren nächsten Verwandten, den Salier Otto von Kärnten, einen Enkel Ottos »des Großen«. Und als Sohn von dessen Tochter stand er dem verstorbenen Herrscher um einen Grad näher noch und war wohl auch mächtiger als Heinrich. Der Kärntner allerdings verzichtete, wenn wir Bischof Thietmar, Heinrichs ausgemachtem Parteigänger, glauben können; wenn es nicht ein erzwungener Verzicht war. Und auch weitere Aspiranten, zumal die beiden Abkömmlinge von Geschwistern König Heinrichs I., Schwabenherzog Hermann und Markgraf Ekkehard von Meißen, schieden schließlich aus.
Denn Heinrich, obwohl von früh an krank, war versessen auf die 936 seinem Haus entgangene Königskrone. Nicht gesonnen, lange zu fackeln, lauerte er, so listig wie brutal, dem zuerst ständig vom Feind bedrohten Trauerkondukt des über die Alpen geführten Toten auf dem Hof Polling des Bischofs Siegfried von Augsburg auf, des einzigen Großen, der anfangs entschieden für Heinrich, der ihn eben zum Bischof gemacht, eintrat. Und in Polling entriß der Bayer dem Leichenzug die kaiserlichen Insignien, seinerzeit besonders bedeutsam, versinnbildlichten sie doch das Reich. Der Räuber vergoß bei dieser dreisten Action directe reichlich Tränen und ersuchte jeden Magnaten »einzeln« (singulatim) und »unter großen Versprechungen ... ihn zu ihrem Herrn und König zu wählen« (Thietmar).
Allerdings fehlte die Heilige Lanze. Der mißtrauische Kölner Erzbischof Heribert, der seinen Verwandten, den Schwabenherzog Hermann II., zum König machen wollte, hatte sie vorausgesandt. So erzwang Heinrich ihre Herausgabe durch Inhaftierung des Erzbischofs – übrigens gleichfalls hl. (Fest ursprünglich 16. März, jetzt 30. August) –, dann durch Geiselnahme von dessen Bruder, dem Würzburger Bischof Heinrich I. Beide Heilige mißtrauten einander zeitlebens, und der hl. König stellte den hl. Kirchenfürsten fast während seiner ganzen Regierung kalt. Freilich ließ Heinrich auch Ottos Eingeweide in Augsburg beisetzen und machte große
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