Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
viele Mißstände in der Kirche zu regeln versuchte wie (andere) Dinge des Reiches. Hoftag und Synode, die Zusammenkünfte des Laienadels, regelmäßig neben den Konzilien tagend, gingen ohnedies ineinander über.
Heinrich verhandelte mit den Bischöfen wie mit seinen Untergebenen. Er kontrollierte die Disziplin in der Kirche, die Verwaltung. Er brachte seinen Willen in rechtlichen Problemen zur Geltung, bei Prozessen, bei Auseinandersetzungen um das Kirchengut, die Bistumsgrenzen, beim Absetzen von Bischöfen, in Fragen der Sittlichkeit, der Ehe, ja noch im theologischen Bereich. Er nötigte sogar Benedikt VIII. zur Einführung des Symbolum in die stadtrömische Meßliturgie.
Überhaupt hatten die Päpste bei alldem wenig zu melden. Die Kirche war im wesentlichen Heinrichs Instrument, ein Politikum. Doch er regierte sie nicht nur, er regierte auch durch sie. Wie andererseits der Staat hoch verkirchlicht war, noch mehr als unter den Ottonen, und die Klerikalisierung des Königtums ihren Gipfel erreichte. Daß Heinrich die innerkirchliche Reform ernst nahm, widerspricht dem nicht, unterstreicht es vielmehr, zumal das gorzisch beeinflußte Reichsmönchtum prinzipiell positiv zu seiner Reichspolitik stand, er auch die Bischofsgewalt über die Klöster nicht einschränken ließ. 10
Heinrich stellte 1004 das unter Otto II. aufgelöste Bistum Merseburg wieder her, erhob 1014 Bobbio zum Bistum und gründete zwischenzeitlich – »nicht ohne Verschlagenheit« (Wendehorst) – 1007 das Bistum Bamberg (S. 67 ff.). Der Mainzer Erzdiözese zugeordnet, wurde es noch unter den besonderen Schutz des Papsttums gestellt und vom Herrscher in jeder Hinsicht gefördert, beschenkt mit Königsgut, bayerischem Herzogsgut, mit oberfränkischen Grafschaften, mit Ländereien in Steiermark, Kärnten, Tirol und mit Klöstern. War doch die politisch-missionarische Hauptaufgabe dieses Bistums zweifellos die endgültige Unterwerfung der an Regnitz und Obermain sitzenden und noch ein halbes Jahrhundert später bezeugten slawischen Bevölkerung (S. 70 ff.), also wieder die »bewährte« karolingische Politik, Gewinnung der Slawen »durch Schwert
und
Mission« (Brackmann).
Heinrich II. stützte sich um so mehr auf die Bischöfe, als sie ihm als Gegengewicht wider den laikalen Adel dienten, als er mit ihrer Hilfe alle Empörungen weltlicher Feudalherren, oft sogar seiner Verwandten, im ersten Jahrzehnt seiner Regierung niederschlug, dabei noch »die letzten Reserven des Reichsgutes« (Fried) zum Nutzen der Kirche mobilisierend.
So ruinierte er den Markgrafen Heinrich von Schweinfurt, dem er das Herzogtum Bayern versprochen hatte (S. 60 ff.). So zerstörte er systematisch die Machtpositionen des bayerischen und des schwäbischen Herzogs. Gerade die unter Otto II. und III. besonders mächtig gewordenen Fürsten waren des Königs größte Gegner. So verfolgte er, der bayerische Liudolfinger, mit unerbittlichem Haß die fränkischen Adelshäuser der Salier, der Konradiner und bot dagegen die Bischöfe von Worms, Mainz, Würzburg, Bamberg, Straßburg, Basel auf. Er stärkte die Prälaten auf Kosten der Herzogsgewalt mit generösen Privilegien. Ergo führte er auch die meisten und entscheidenden Feldzüge hauptsächlich mit Hilfe der Bischöfe, von denen er wohl mehr als 42 eingesetzt und gefordert hat, »gute Schäferhunde« und »heilige Leithammel« zu sein!
Denn was längst vordem galt: »In den politischen Kämpfen spielen die Erzbischöfe, die Metropoliten, die erste Rolle« (Daniel Rops), gilt unter Heinrich erst recht. Der Episkopat ist eines seiner maßgebenden Herrschaftsinstrumente. Das kriegerische »Reichskirchensystem« kulminiert. 11
Schon früher, besonders in den Bänden 4 und 5, wurde die zunehmende militaristische Implikation des hohen Klerus deutlich. Doch erscheint es wünschenswert, den gesamten, in der Geschichte des Frühmittelalters so staats- wie kirchentragenden Komplex einmal etwas systematischer, mehr zusammenhängend zu thematisieren. Bedingt dies auch längere Rückblicke und teilweise Wiederholungen, wird es für das Verständnis dieser und der folgenden Zeit desto förderlicher sein.
Exkurs
Klerus und Krieg
»Fränkische Herrscher und insbesondere Karl d. Gr. stützten ihre Politik, Verwaltung und das Heerwesen bereits zunehmend auf Bischöfe und Äbte.«
Reinhard Schneider 12
»Von Kriegstaten hörten und schrieben sogar Klosterschüler gerne; durch sie erlangte man ›unsterblichen‹ Ruhm, ohne sie war das
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