Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
Quellenberichte, eine feindselige Chronistik, die auch diese Randgruppen der Gesellschaft diskreditierte und kriminalisierte, wohl erheblich noch über deren eigene Schandtaten hinaus.
Unter ihrem Führer Jakob (?), einem gebildeten, sprachgewandten Ungarn, vielleicht einem ehemaligen Zisterzienser, der vorgab, im Auftrag der Mutter Gottes zu handeln, und großen Zulauf gewann, planten die Pastorellen, die Hirtlein, anscheinend einen Kreuzzug ins Heilige Land. Auf ihrem Weg von Amiens nach Paris, wo Bianca von Kastilien ihren Führer empfing, sollen sie auf 100000 Menschen (nicht nur aus dem »niederen« Volk) angewachsen sein. Durch zunehmende Radikalisierung und Exzesse aber, durch Plünderungen, Morde an Geistlichen, Mönchen, Adligen, auch, wie so häufig bei Kreuzzügen, durch Judenpogrome, wurden sie offenbar eine Gefahr für die Städte und alsbald selbst verfolgt, grausam gejagt und vernichtet, im Süden bis nach Marseille, im Norden bis Südengland hin. Auch ihr Führer kam dabei um. Obwohl man den Aufruhr in wenigen Monaten zusammenschlug, zeigte er doch das Aufbegehren, den spontanen Protest einfacher Volksgruppen wider eine Hierarchie, die ihre Selbst- und Machtsucht noch über einen Kreuzzug für den gemeinsamen Glauben stellte. 12
Eine wirkliche Bedrohung für die Christenheit, eine Gefahr von kaum je dagewesenem Ausmaß, vor der alles andere, auch der Islam verschwand, war der Mongolensturm. Und wie er Rußland für immerhin zwei Jahrhunderte unterjochte, hätte er vermutlich ganz Europa unterjochen können, wäre es davor nicht durch einen Führungswechsel auf mongolischer Seite bewahrt worden.
Der Mongolensturm und die Mission des Johannes von Plano Carpini
Das zentralasiatische Volk der Mongolen – die russischen Quellen sprechen ausschließlich von Tataren: die ursprüngliche Bezeichnung eines kleinen mongolischen Teilstammes – trat als autarker politischer Verband erst im ausgehenden 11. Jahrhundert hervor. Unter Dschingis Khan (gest. 1227), eigentlicher Name: Temüjin, und seinem Sohn und Nachfolger Ögödei (1227–1241) wurde von ihnen der riesige Raum zwischen China und der Schwelle Europas, bis Rußland, Polen, Ungarn »vom Sattel aus«, mit der überlegenen Taktik rasch reaktionsfähiger Reiterscharen, in nahezu ununterbrochenen Kämpfen in zwei Jahrzehnten überrollt und alles, was sie durchstürmten, in Schutt und Asche zurückgelassen.
Im November oder Dezember 1240 eroberten sie das einst starke Kiew (vgl. V 464 ff.) und ruinierten es gänzlich. Am 24. März nächsten Jahres zerstörten sie Krakau, am 9. April schlugen sie bei Liegnitz das deutsch-polnische Ritterheer mit dem Piastenherzog Heinrich II. dem Frommen von Niederschlesien völlig, wobei dieser selbst umkam. Zwei Tage darauf ging das ungarische Heer in der Schlacht auf der Ebene von Mohi am Sajo unter Béla IV. (1235 bis 1270) zugrunde, wonach der König nie mehr von dem Alptraum freikam. Die Hälfte der Ungarn fiel den Invasoren zum Opfer. 13
Die Länder des Ostens waren ganz auf sich gestellt. Ein Kreuzzugsaufruf Gregors IX. und ein Appell des Kaisers fanden nur geringes Echo, wie auch beider Streitkräfte sich in Italien gegenseitig banden. Zudem war Friedrich gewarnt, hatte doch schon einmal in seiner Abwesenheit der Heilige Vater das süditalische Reich überfallen. Dies durfte er kein zweites Mal riskieren. Die Päpstlichen aber beschuldigten den Monarchen, er selbst habe die Mongolen zur Bestrafung Österreichs und Ungarns gerufen! Auf dem Konzil von Lyon hatte zwar Innozenz ihre Abwehr zur Sprache gebracht. Doch als der kaiserliche Großhofrichter Thaddäus von Suessa nicht nur die Rückgabe des Kirchenstaates, nicht nur eine Kreuzfahrt ins Heilige Land, sondern auch einen Feldzug gegen die Mongolen anbot, endlich dafür die Könige Frankreichs und Englands sogar als Bürgen nannte, wies der Papst all dies mit offenkundigen Ausreden zurück. 14
Erst vier Jahre nach der Vernichtung der abendländischen Heere bei Liegnitz und Mohi schickte Innozenz Kundschafter aus mit dem Auftrag, »alles zu durchforschen und die einzelnen Dinge sorgfältig zu beobachten«. Offiziell, so die Gesandten, »weil er wünsche, daß alle Christen die Freunde der Tataren sein und mit ihnen in Frieden leben sollten; darüber hinaus wünsche er, daß sie groß seien bei Gott im Himmel«.
In den Vorderen Orient zogen die Dominikaner Ascelin, Simon von St. Quentin und Andreas von Longjumeau, über Rußland der Franziskaner Johannes von
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