Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
erschienen haltlos: Österreich hatte sich mit Russland verbündet, um eine künftige russisch-österreichische Teilung des Osmanischen Reiches zu planen; Frankreich war nach seiner Beteiligung am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu erschöpft, um eine Flotte zum Schwarzen Meer zu entsenden; und die Briten, schwer angeschlagen durch ihre Verluste in Amerika, zeigten sich im Wesentlichen gleichgültig (wenn »Frankreich hinsichtlich der Türken schweigen will«, bemerkte Außenminister Lord Grantham, »warum sollen wir uns dann einmischen? Dies ist nicht der Zeitpunkt, einen neuen Konflikt zu beginnen«). 18
Der osmanische Geduldsfaden riss vier Jahre später – 1787 – , kurz nach Katharinas provozierender Reise durch ihre jüngst eroberten Schwarzmeerküstenorte, die sich gerade dann abspielte, als die Türken im Kaukasus weitere Verluste an die Russen hinnehmen mussten. ** In der Hoffnung auf ein Bündnis mit Preußen ließ sich die Hohe Pforte von der Kriegspartei überzeugen und erklärte Russland den Krieg, das dann, unterstützt von Österreich, seine eigene Kriegserklärung an die Türkei abgab. Zunächst hatten die Osmanen einige Erfolge, denn sie konnten die österreichischen Streitkräfte an der Donaufront ins Banat zurückwerfen. Aber die Militärhilfe durch Preußen blieb aus, und nach einer langen Belagerung verloren die Türken ihre strategisch wichtige Festung in Otschakow (Yedisan) an die Russen, danach Belgrad und die Donaufürstentümer durch eine österreichische Gegenoffensive und schließlich die bedeutenden Festungen an der Donaumündung wiederum an die Russen. Daraufhin waren die Türken gezwungen, um Frieden nachzusuchen. Durch den Vertrag von Jassy im Jahr 1792 erhielten sie die nominelle Kontrolle über die Donaufürstentümer zurück, mussten jedoch die Gegend um Otschakow an Russland abtreten, wodurch der Fluss Dnestr zur neuen russisch-türkischen Grenze wurde. Daneben erkannten sie die russische Annexion der Krim offiziell an. Doch in Wirklichkeit akzeptierten sie deren Verlust nie völlig und sannen auf Rache.
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Während der Religionskriege Russlands gegen seine muslimischen Nachbarn galten die islamischen Kulturen des Schwarzmeergebiets als besondere Gefahr. Die russischen Herrscher fürchteten, dass eine islamische Achse, eine breite Koalition muslimischer Völker unter türkischer Führung, die südlichen Grenzgebiete Russlands bedrohen könne, denn dort wuchs die muslimische Bevölkerung rasch, teils infolge hoher Geburtenraten und teils durch die Bekehrung nomadischer Stämme zum Islam. Um die Kontrolle des Reiches über diese unruhigen Grenzgebiete zu festigen, leiteten die Russen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine neue Version ihrer südlichen Strategie ein: Sie entfernten muslimische Bevölkerungen und boten christlichen Siedlern an, die unlängst besetzten Landstriche zu kolonisieren.
Bessarabien wurde während eines späteren Krieges gegen die Türkei (1806–1812) von den Russen erobert. Die Türken traten es Russland offiziell durch den Vertrag von Bukarest (1812) ab, durch den auch die Donaufürstentümer der gemeinsamen Souveränität Russlands und des Osmanischen Reiches unterstellt wurden. Die neuen zaristischen Herrscher Bessarabiens vertrieben die muslimische Bevölkerung und schickten Tausende von tatarischen Bauern als Kriegsgefangene nach Russland. Danach besiedelten sie die fruchtbaren Ebenen der Gegend mit Moldauern, Walachen, Bulgaren, Ruthenen und Griechen, die durch Steuervergünstigungen, Befreiung vom Militärdienst und durch Kredite der russischen Regierung für qualifizierte Handwerker angezogen wurden. Die örtlichen zaristischen Behörden standen unter Druck, das Gebiet, durch dessen Eroberung Russland nur noch ein paar Kilometer von der Donau entfernt war, zu bevölkern, und ignorierten sogar die flüchtigen ukrainischen und russischen Leibeigenen, die nach 1812 in immer größerer Zahl in Bessarabien eintrafen. Es kam zu einem aktiven Kirchenbauprogramm, und die Gründung einer Eparchie in Kischinjow sorgte dafür, dass die lokalen Honoratioren von der russisch-orthodoxen (im Gegensatz zur griechisch-orthodoxen) Kirche vereinnahmt wurden. 19
Auch die russische Eroberung des Kaukasus war ein Teil dieses Kreuzzugs. In hohem Maße war sie als Religionskrieg gegen die muslimischen Bergstämme, die Tschetschenen, Inguschen, Tscherkessen und Dagestaner, geplant und sollte zur Christianisierung des Kaukasus dienen. Die
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