Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
Vom Netzwerk:
Majestät von einer öden Steppe in ein fruchtbares Stück Land verwandelt wurde, wo Tiere und Menschen aus allen Ländern sich nicht mehr in der Wildnis, sondern zu Hause fühlen«. 17
    Odessa war das Juwel in Russlands südlicher Krone. Seine architektonische Schönheit verdankte sich großenteils dem Duc de Richelieu, einem Flüchtling vor der Französischen Revolution, der viele Jahre als Stadtgouverneur diente. Doch die Bedeutung der Stadt als Hafen war das Werk der Griechen, die von Katharina ermutigt worden waren, sich hier niederzulassen. Dank der Bewegungsfreiheit, welche die russische Schifffahrt durch den Vertrag von Kutschuk-Kainardsche genoss, wurde Odessa bald zu einem Hauptakteur im Schwarzmeer- und Mittelmeerhandel und übernahm weitgehend die Vorherrschaft von den Franzosen.
    Die russische Einverleibung der Krim folgte einem anderen Kurs. Im Rahmen des Vertrags von Kutschuk-Kainardsche war das Krim-Khanat unabhängig von den Osmanen geworden, wenngleich der Sultan durch seine Rolle als Kalif eine nominelle religiöse Autorität beibehielt. Obwohl die Osmanen den Vertrag unterzeichnet hatten, akzeptierten sie die Unabhängigkeit der Krim nur widerwillig, da sie fürchteten, die Halbinsel werde, wie die übrige Schwarzmeerküste, bald von den Russen annektiert werden. Es gelang ihnen, die mächtige Festung Otschakow an der Mündung des Dnepr zu behalten, von der aus sie die Russen bei etwaigen Einmischungen auf der Halbinsel angreifen konnten. Aber sie hatten kaum ein Mittel gegen die russische Politik der politischen und religiösen Infiltration.
    Drei Jahre nach der Unterzeichnung des Vertrags wurde Şagin Giray zum Khan gewählt. In Venedig erzogen und halb verwestlicht, war er der Vorzugskandidat Russlands (als Leiter einer Krim-Delegation nach St. Petersburg hatte er Katharina durch seinen »liebenswürdigen Charakter« und sein gutes Aussehen beeindruckt). Şagin wurde von der beträchtlichen christlichen Bevölkerung der Krim (griechische, georgische und armenische Händler) und von vielen Nogai-Nomaden in der Festlandssteppe unterstützt, die ihre Unabhängigkeit vom osmanischen Khanat stets erbittert verteidigt hatten und Şagin als Befehlshaber der Nogai-Horde Treuepflicht schuldeten. Dieser war jedoch untragbar für die Osmanen, weshalb sie eine Flotte mit ihrem eigenen Khan entsandten, der ihn ersetzen sollte; außerdem spornten sie die Krimtataren an, sich gegen Şagin als »Ungläubigen« zu erheben. Şagin ergriff die Flucht, kehrte jedoch bald zurück, um ein Gemetzel unter den aufsässigen Tataren anzurichten, das sogar die Russen schockierte. Daraufhin begannen die Tataren, bestärkt von den Osmanen, einen religiösen Vergeltungskrieg gegen die Christen der Krim, was Russland veranlasste, deren hastigen Exodus zu organisieren (30000 Christen wurden nach Taganrog, Mariupol und in andere Orte an der Schwarzmeerküste gebracht, wo die meisten von ihnen obdachlos wurden).
    Der Auszug der Christen führte zu einer ernstlichen Schwächung der Krim-Wirtschaft. Şagin wurde noch abhängiger von den Russen, die ihn drängten, sich mit der Annexion einverstanden zu erklären. Bestrebt, sich in den Besitz der Krim zu bringen, bevor das übrige Europa reagieren konnte, bereitete Potemkin einen raschen Krieg gegen die Türken vor und arrangierte Şagins Abdankung für eine prächtige Pension. Der Khan wurde nach St. Petersburg geschickt, woraufhin Potemkin die Tataren bewog, sich Katharina zu unterwerfen. Überall auf der Krim fanden Zeremonien statt, bei denen sich die Tataren mit ihren Mullahs versammelten, um auf dem Koran einen Eid auf die tausend Kilometer entfernte rechtgläubige Kaiserin abzulegen. Potemkin war entschlossen, die Annexion als Ausdruck des Volkswillens erscheinen zu lassen.
    Die russische Übernahme der Krim im Jahr 1783 war eine bittere Demütigung für die Türken. Zum ersten Mal hatte das Osmanische Reich ein muslimisches Territorium an die Christen abtreten müssen. Der Großwesir der Hohen Pforte fand sich widerwillig damit ab, doch andere Politiker am Hof des Sultans betrachteten den Verlust der Krim als tödliche Gefahr für das Osmanische Reich, da die Russen die Halbinsel als Militärstützpunkt gegen Konstantinopel und gegen die osmanische Kontrolle über den Balkan benutzen würden. Deshalb riefen die Osmanen zum Krieg mit Russland auf. Aber es war unrealistisch, auf eigene Faust gegen die Russen zu kämpfen, und türkische Hoffnungen auf ein westliches Eingreifen

Weitere Kostenlose Bücher