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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Küstenstationen. Ihre Hauptziele blieben jedoch Kronstadt und Sveaborg. Von seinem acht Kilometer vor Kronstadt liegenden Schiff schrieb Prinz Ernst von Leiningen seiner Cousine Königin Viktoria am 3. Juni:
    Vor uns ist die Stadt mit ihren zahlreichen Kirchen und Türmen und ihren endlosen Batterien, die alle die Zähne zeigen, um uns zu beißen, wenn wir ihnen die Möglichkeit geben. Der Eingang zum Hafen wird von zwei mächtigen Forts, Alexander und Menschikow, bewacht, und um sie zu erreichen, müssen Schiffe zuerst die drei Reihen (78 Kanonen) von Fort Risbank hinter sich lassen … Von unserem Masttopp können wir die goldenen Kuppeln und Türme von St. Petersburg klar erkennen, und der Flotte direkt gegenüber steht das herrliche Schloss Oranienbaum, gebaut aus einem weißen Stein, der stark wie Marmor aussieht … Es ist hier oben immer noch kalt, doch das Wetter ist klar, und wir haben fast keine Nächte, nur etwa zwei Stunden Dunkelheit zwischen elf und eins. 16
    Während die Flotte auf die Ankunft der Franzosen wartete, erkundete Sulivan sorgfältig die Untiefen der Ostsee, darunter die Küste Estlands, wo eine anglophile Aristokratenfamilie ihn zu einem surreal anmutenden Abendessen in ihrem Landhaus einlud. »Es schien wirklich alles ein Traum zu sein«, schrieb er:
    drei Meilen landeinwärts auf dem Gebiet des Feindes durch diese sehr englisch wirkende Szenerie mit einer netten jungen Dame schreitend, die so gut Englisch sprach wie ich, wenn auch mit einem leicht ausländischen Akzent … Wir speisten vorzüglich, wobei es mehr einfache Fleischsorten, Wildbret etc. gab, als ich erwartet hatte. Kaffee und Tee wurden hinaus unter einen Baum getragen, und wir verabschiedeten uns gegen zehn, zu Beginn der Dämmerung. Der Baron fuhr mich geschwind in einem leichten Phäton mit englischen Pferden und einem gänzlich englisch gekleideten Stallknecht – Ledergürtel, Stiefel und so weiter.
    Anfang Juni legte Sulivan seinen Bericht vor. Inzwischen war er pessimistischer, was die Möglichkeit betraf, die mächtigen Verteidigungsanlagen von Kronstadt zu überwinden (genau wie Napier im Jahr 1854). Im Jahr zuvor hatten die Russen ihre Flotte verstärkt (Sulivan zählte 34 Kanonenboote) und die seewärtigen Verschanzungen durch Unterwasserminen mit elektrischen und chemischen Zündern (beschrieben als »Höllenmaschinen«) sowie durch eine Barriere aus Holzrahmen, verankert am Meeresboden und mit Felsbrocken gefüllt, abgesichert. Sie zu entfernen würde kaum ohne beträchtliche Verluste durch die schweren Geschütze der Festung möglich sein. Der geplante Angriff auf Kronstadt wurde abgeblasen – und damit verflog die Hoffnung auf einen entscheidenden alliierten Durchbruch in der Ostsee. 17
    Gleichzeitig dachten die Alliierten über Möglichkeiten nach, ihren Feldzug auf der Krim auszuweiten. Das militärische Patt der Wintermonate hatte viele Beobachter folgern lassen, dass die fortgesetzte Bombardierung Sewastopols von Süden her ergebnislos bleiben würde, solange die Russen über Perekop und das Asowsche Meer Vorräte und Verstärkungen vom Festland herbeiholen konnten. Die Belagerung konnte nur gelingen, wenn Sewastopol im Norden eingekreist wurde. Das war die Grundidee des ursprünglichen alliierten Plans vom Sommer 1854 gewesen, den jedoch Raglan umgestoßen hatte, weil er glaubte, dass seine Männer in der Hitze leiden würden, wenn sie die Krim-Ebene besetzten, um die Russen von Perekop abzuschneiden. Am Ende des Jahres war die Dummheit von Raglans Strategie allen klar geworden, und die Militärführer verlangten nach einer umfassenderen Strategie. In einem Memorandum vom Dezember riet zum Beispiel Sir John Burgoyne, Raglans oberster Pionieroffizier, zur Aufstellung einer alliierten Streitmacht von 30 000 Mann am Fluss Belbek »mit dem Ziel weiterer Operationen gegen Bachtschisserai und Simferopol«, durch die Sewastopol von einer seiner beiden wichtigsten Nachschublinien abgeschnitten werden würde (die andere führte über Kertsch im Osten der Krim). 18
    Die russische Attacke auf Jewpatorija vom Februar hatte weitere Pläne für eine massivere alliierte Präsenz ausgelöst, die den russischen Nachschub von Perekop unterbrechen sollte. Im März schickten die Verbündeten Truppen nach Jewpatorija, um die türkische Streitmacht zu verstärken. Dort fanden sie eine entsetzliche Situation vor – eine wirkliche humanitäre Krise – , denn an die 40 000 tatarische Bauern lebten ohne Nahrung oder Obdach auf

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