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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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der ethnischen und religiösen Zusammensetzung dieser Grenzgebiete: Wenn die Österreicher durchbrachen, würden sich ihnen wahrscheinlich nicht nur die Polen, sondern auch die katholischen Ruthenen in Wolhynien und Podolien anschließen. Gortschakow schlug vor, die russische Partisanenverteidigung auf religiöser Basis hinter den Grenzgebieten zu organisieren, nämlich in den Provinzen Kiew und Cherson, wo sich die orthodoxe Bevölkerung unter Umständen von ihren Pfarrern überzeugen ließ, in den Partisanenbrigaden zu kämpfen. Unter dem Kommando der Südarmee würden die Brigaden nach dem Vorbild der Verbrannte-Erde-Taktik von 1812 Brücken zerstören, Ernten vernichten und Vieh töten, um sich dann in die Wälder zurückzuziehen und die vorrückenden Feinde aus dem Hinterhalt zu überfallen. Zar Alexander billigte Gortschakows Vorschläge, die im März in die Praxis umgesetzt wurden. Man sandte Priester in die Ukraine, die, ausgestattet mit Exemplaren des Manifests, das Nikolaus auf dem Totenbett geschrieben hatte, die orthodoxen Bauern zu einem »heiligen Krieg« gegen die Angreifer aufriefen. Diese Initiative war wenig erfolgreich. Zwar erschienen Bauernscharen von bis zu 700 Mann in der Kiewer Gegend, aber die meisten hatten den Eindruck, dass sie für ihre Befreiung von der Leibeigenschaft kämpfen würden und nicht gegen einen ausländischen Feind. Sie marschierten mit ihren Heugabeln und Jagdgewehren auf die Herrenhäuser zu, wo sie von Soldaten aus den Garnisonen zerstreut werden mussten. 12
    Unterdessen erörterten die Alliierten, auf welche Gebiete sie ihre neuen Frühjahrsoffensiven konzentrieren sollten. Viele führende Briten setzten ihre Hoffnung auf einen Feldzug im Kaukasus, wo sich die aufständischen muslimischen Stämme unter Imam Schamil bereits mit der türkischen Armee zusammmengetan hatten, um die Russen in Georgien und Tscherkessien anzugreifen. Im Juli 1854 hatte Schamil eine groß angelegte Attacke auf die russischen Stellungen in Georgien durchgeführt. Mit 15 000 Kavalleristen und Fußsoldaten war er bis auf 60 Kilometer an Tbilissi herangerückt, das damals von nur 2000 Russen verteidigt wurde. Da aber die Türken ihre Streitkräfte nicht aus Kars herbeigeholt hatten, um das zaristische Militärhauptquartier gemeinsam mit ihm anzugreifen, war er nach Dagestan zurückgewichen. Einige von Schamils Verbänden unter dem Kommando seines Sohnes Gazi Muhammed überfielen die Sommerresidenz des georgischen Fürsten Tschawtschawadse in Zinandali und nahmen seine Frau und deren Schwester (Enkelinnen des letzten georgischen Königs) mitsamt ihren Kindern und ihrer französischen Gouvernante gefangen. Schamil hatte gehofft, sie gegen seinen Sohn Dschemaleddin auszutauschen, der in St. Petersburg als Geisel gehalten wurde, doch die Nachricht von ihrer Gefangennahme löste internationale Empörung aus, und französische und britische Repräsentanten forderten ihre bedingungslose Freilassung. Ihre Schreiben erreichten Schamil jedoch erst im März 1855, und bis dahin hatte der Imam den Austausch der Frauen und ihrer Kinder gegen Dschemaleddin und 40 000 Silberrubel vom russischen Hof bereits erfolgreich vollzogen. 13
    Die Briten belieferten die rebellierenden muslimischen Stämme seit 1853 mit Waffen und Munition, hatten bislang aber gezögert, sich uneingeschränkt für Schamils Armee oder sogar für die Türken im Kaukasus zu engagieren, da sie beide mit kolonialer Geringschätzung betrachteten. Durch die Entführung der Fürstinnen gewann Schamil keine Freunde in London, aber im Frühjahr 1855 begannen die Briten und Franzosen, veranlasst durch die Suche nach neuen Wegen zur Niederwerfung Russlands, die Möglichkeit der Aufnahme von Beziehungen zu den kaukasischen Stämmen zu sondieren. Im April entsandte die britische Regierung einen Sonderbeauftragten, John Longworth, ihren früheren Konsul in Monastir und einen engen Mitarbeiter von David Urquhart, dem turkophilen Sympathisanten der Tscherkessen, auf eine Geheimmission: Er sollte Kontakt zu Schamil herstellen und ihm britische Militärunterstützung für den Fall versprechen, dass dieser die muslimischen Stämme zu einem »heiligen Krieg« gegen Russland vereinigte. Die französische Regierung schickte einen eigenen Agenten, Charles Champoiseau, ihren Vizekonsul in Redutkale, auf eine separate Mission zu den tscherkessischen Stämmen um Suchumi in Georgien. 14
    Die Briten verpflichteten sich, Schamils Armee zu bewaffnen und die Russen aus

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