Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Angelegenheiten über seine Temperamentsausbrüche triumphieren werden. Er hat eine rasche Auffassungsgabe, reichlich gesunden Menschenverstand und einen entschlossenen Geist, der sich den Schwierigkeiten nicht beugen, sondern sie überwinden will. 23
General Pélissier
Da er die Beziehungen zu den Briten verbessern wollte, war Pélissier damit einverstanden, die Aktion gegen Kertsch erneut in Angriff zu nehmen, obwohl er mit Raglan darin übereinstimmte, dass die Befestigungen von Sewastopol weiterhin das Hauptziel der alliierten Operationen sein sollten. Am 24. Mai stachen sechzig Schiffe der alliierten Flotte mit einer kombinierten Streitmacht aus 7000 französischen, 5000 türkischen und 3000 britischen Soldaten unter Browns Kommando in See. Beim Anblick der sich nähernden Armada flohen die meisten russischen Bewohner von Kertsch in die Landgebiete. Nach einem kurzen Bombardement konnten die Alliierten ungehindert an Land gehen. Brown wurde von einer Abordnung der noch vorhandenen russischen Zivilisten empfangen. Sie hatten Angst vor Überfällen durch die einheimischen Tataren und baten ihn um Schutz. Brown ignorierte ihre Wünsche, befahl, das Waffenarsenal in Kertsch zu zerstören, und ließ eine kleine Truppe aus hauptsächlich französischen und türkischen Soldaten in der Stadt zurück, bevor er mit seinen übrigen Männern an der Küste entlang zu dem wichtigen Fort Jenikale marschierte. Dort setzte sich die Plünderung russischen Eigentums unter Browns Aufsicht fort. Unterdessen drang die alliierte Flotte ins Asowsche Meer vor, segelte auf die russische Küste zu, zerstörte feindliche Schiffe und verwüstete die Häfen Mariupol und Taganrog. *****
Die Angriffe auf russisches Eigentum in Kertsch und Jenikale entarteten bald zu einer Sauforgie und einigen schrecklichen Gräueltaten durch die alliierten Soldaten. Die schlimmsten Ausschreitungen fanden in Kertsch statt, wo die örtlichen Tataren die alliierte Anwesenheit nutzten, um brutale Rache an den einheimischen Russen zu nehmen. Unterstützt von den türkischen Soldaten, plünderten die Tataren Läden und Häuser, vergewaltigten russische Frauen und ermordeten und verstümmelten Hunderte von Russen, darunter sogar Kinder und Babys. Zu den Exzessen gehörte auch die Zerstörung des Ortsmuseums mit seiner umfangreichen, wunderschönen Sammlung hellenischer Kunstwerke. Über diese Freveltat berichtete Russell in der Times vom 28. Mai:
Der Fußboden des Museums ist bedeckt mit dem Schutt von zerbrochenem Glas, von Vasen, Urnen, Statuen, dem kostbaren Staub ihres Inhalts und verkohlten Holz- und Knochenstücken, vermischt mit den frischen Splittern der Regale, Tische und Behälter, auf und in denen man sie aufbewahrt hatte. Kein einziges Stück von dem, was zerbrochen oder zu winzigen Fragmenten verbrannt werden konnte, war von der Verkleinerung durch Hammer oder Feuer ausgenommen worden.
Mehrere Tage lang unternahm Brown nichts, um die Ausschreitungen zu stoppen, obwohl man ihm gemeldet hatte, dass ein französisches und britisches Kontingent an der Plünderung beteiligt war. Brown betrachtete die Tataren als Verbündete und vertrat den Standpunkt, dass sie an einer »legitimen Rebellion« gegen die russische Herrschaft teilnahmen. Nachdem er von den übelsten Schreckenstaten erfahren hatte, entsandte er endlich eine sehr kleine Truppe (nur zwanzig britische Kavalleristen), um die Ordnung wiederherstellen zu lassen. Ihre Zahl war viel zu gering, als dass sie wirklich etwas hätten ausrichten können, obgleich sie einige Briten erschossen, die sie bei Vergewaltigungen erwischt hatten. 24
Laut russischen Zeugen hatten sich nicht nur gemeine alliierte Soldaten an der Plünderei, den Vergewaltigungen und anderen Gewalttaten beteiligt, sondern auch Offiziere. »Ich sah mehrere englische Offiziere, die Möbel und Skulpturen zu ihren Schiffen trugen, dazu alle möglichen anderen Gegenstände, die sie aus unseren Häusern geraubt hatten«, erinnerte sich ein Bewohner von Kertsch. Mehrere Frauen behaupteten, sie seien von britischen Offizieren vergewaltigt worden. 25
* * *
Alle breiter angelegten Pläne wurden aber letztlich nicht realisiert, weil sich die Briten und Franzosen nach Frühlingsbeginn erneut mit der Belagerung von Sewastopol verzettelten, die weiterhin Vorrang für die alliierte Strategie hatte. Ungeachtet der Erkenntnis, dass sie für den Erfolg der Belagerung eine andere Methode benötigten, hielten die Alliierten nach wie vor an der
Weitere Kostenlose Bücher