Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
Vom Netzwerk:
die Russen, Rum für die Briten und Wein für die Franzosen – und einen weiteren zur Hauptmahlzeit. Viele griffen auch tagsüber zur Flasche, und einige waren während der gesamten Belagerung nie nüchtern. Alkoholkonsum war der Hauptzeitvertreib in allen Armeen, auch bei den Türken, die süßen Krimwein schätzten. Henry Clifford beschrieb die Trinkgewohnheiten in den alliierten Lagern:
    Fast jedes Regiment hat eine Kantine, und an der Tür einer jeden standen Gruppen von französischen und englischen Soldaten in jeglichen Stadien des Rausches – nein, sie standen nicht, denn nur wenige waren dazu fähig, sondern sie lagen auf dem Boden oder rollten herum. Fröhlich, lachend, weinend, tanzend, prügelnd, sentimental, liebevoll, singend, redend, streitsüchtig, dumm, roh, brutal und stockbetrunken – Franzosen genauso schlimm wie Engländer und Engländer genauso schlimm wie Franzosen … Was für ein Fehler, den Soldaten zu hoch zu bezahlen! Gib ihm einen Viertelpenny mehr, als er wirklich benötigt, und schon lässt er seinen brutalen Neigungen freien Lauf und betrinkt sich auf der Stelle … Ob er Engländer, Franzose, Türke oder Sardinier ist – gib ihm genug Geld, und er wird sich betrinken. 39
    Das plötzlich eintretende warme Frühlingswetter hob die Moral der alliierten Soldaten. »Heute ist Frühling«, schrieb Herbé am 6. April, »die Sonne lässt uns seit drei Wochen nicht im Stich, und alles hat seine Erscheinung geändert.« Die Franzosen legten in der Nähe ihrer Zelte Gärten an. Viele rasierten sich wie Herbé den Winterbart ab, wuschen ihre Bettwäsche und putzten sich überhaupt heraus, damit »unsere Uniformen, wenn die Damen von Sewastopol einen Ball geben und die französischen Offiziere einladen sollten, neben ihren eleganten Kostümen immer noch hervorstechen würden«. Nach dem grausamen Winter, in dem eine Schlamm- und Schneeschicht die Landschaft überzogen hatte, wurde die Krim plötzlich zu einem Ort von großer Schönheit: Auf dem Heideland erschien eine Überfülle bunter Frühlingsblumen, Felder mit Weidelgras wurden einen Meter hoch, und überall ertönte Vogelgesang. »Wir haben erst ein paar warme Tage hinter uns«, schrieb Russell in der Times vom 17. März,
    und doch bringt der Boden, wo immer Blumen hervorsprießen können, eine Vielzahl von Schneeglöckchen, Krokussen und Hyazinthen hervor … Die Finken und Lerchen feiern hier ihren eigenen Valentinstag und kommen immer noch in Schwärmen herbei. Stark glänzende Distelfinken, große Ammern, Goldhähnchen, Lerchen, Hänflinge, Wiesenpieper und drei Meisenarten, die Heckenbraunelle und eine hübsche Stelzenart sind überall auf der Chersonesse sehr verbreitet. Und es ist seltsam, sie in den Pausen zwischen dem Donnern der Kanonen aus Büschen pfeifen und zwitschern zu hören, und genauso seltsam ist es zu sehen, wie sich die jungen Frühlingsblumen durch die Spalten der Geschosshaufen hindurchzwängen und unter Granaten und schweren Geschützen hervorspähen. 40
    Im britischen Lager stieg die Stimmung auch dank der besseren Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gebrauchsgütern. Dies war im Wesentlichen ein Ergebnis der Tatsache, dass die Privatwirtschaft die Gelegenheiten nutzte, die sich aus dem Versäumnis der Regierung ergaben, Vorsorge für ihre Männer auf der Krim zu treffen. Im Frühjahr 1855 hatte eine große Zahl von Privathändlern und Marketendern Buden und Läden in Kodikoi eröffnet. Die Preise waren halsabschneiderisch, doch man konnte dort alles kaufen: von Schmalzfleisch und Essiggemüse, Flaschenbier und griechischem Raki bis hin zu Röstkaffee, Dosen mit Albertkeksen, Schokolade, Zigarren, Toilettenartikeln, Papier, Federhaltern und Tinte und dem besten Champagner von Oppenheim oder Fortnum & Mason, die beide Läden auf dem Hauptbasar betrieben. Es gab Sattler, Schuster, Schneider, Bäcker und Hoteliers, darunter die berühmte Mary Seacole, eine Jamaikanerin, die in dem »British Hotel«, das sie an einem von ihr Spring Hill genannten Ort bei Kodikoi eröffnet hatte, herzhafte Mahlzeiten und Gastfreundschaft, Kräutermittel und Arzneien anbot.
    1805 in Kingston als Tochter eines schottischen Vaters und einer kreolischen Mutter geboren, hatte diese außergewöhnliche Frau als Krankenschwester in den britischen Militärniederlassungen auf Jamaika gearbeitet und einen Engländer namens Seacole geheiratet, der innerhalb eines Jahres starb. Später hatte sie in Panama, wo sie mit Seuchenausbrüchen fertig

Weitere Kostenlose Bücher