Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
war tatsächlich die Absicht der Russen). Laut Major Whitworth Porter von den Royal Engineers bestand das erste Anzeichen eines bevorstehenden Angriffs darin, dass »mehrere undeutliche Gestalten, die über die Brüstung krochen, entdeckt wurden«.
Sofort wird Alarm geschlagen, und einen Moment später fallen sie über uns her. Unsere Männer, verstreut wie sie sind, werden überrumpelt, weichen Schritt um Schritt vor dem näher kommenden Feind zurück, bis sie sich endlich zur Wehr setzen können. Und nun schließt sich ein Handgemenge an. Die Kampfrufe und Schreie … unserer Männer; das Brüllen der Russen, die durch den üblen Fusel, mit dem sie vor dem Ansturm berauscht worden sind, wie Wahnsinnige toben; die schrillen Gewehrschüsse, die sekundenlang an allen Seiten widerhallen; die hastig gerufenen Befehle; das Ertönen des russischen Horns, das in all diesem Getöse klar zu hören ist und ihren Vormarsch ankündigt – all das schafft ein Bild der Verwirrung, das auch die stärksten Nerven aus der Ruhe bringen könnte. Wenn man dann die Wahrscheinlichkeit hinzufügt, dass der Kampfplatz in einer Batterie liegen könnte, in der die verschiedenen Querbalken, Geschütze und anderen Hindernisse den Raum verengen und beiden Seiten das Handeln schwer machen, wird man zu einer Vorstellung dieses außerordentlichen Schauspiels gelangen. Früher oder später – gewöhnlich im Lauf von sehr wenigen Minuten – eilen unsere Männer, die sich in hinreichender Zahl gesammelt haben, kühn vorwärts und treiben die Feinde ungestüm über die Brüstung. Eine schöne Salve wird hinter ihnen hergeknallt, so dass sie noch schneller fliehen und der machtvolle britische Jubel noch lauter wird … 29
Die Alliierten führten ebenfalls Überraschungsangriffe gegen die russischen Außenanlagen. Ihr Ziel war es nicht, diese Positionen einzunehmen, sondern die Moral der russischen Soldaten zu schwächen. Die Zuaven eigneten sich ideal für solche Vorstöße, denn sie waren die effektivsten Nahkämpfer der Welt. In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar stürmte ihr gefeiertes 2. Regiment die neu errichteten Weißen Werke und besetzte sie für kurze Zeit, nur um den Russen zu zeigen, dass man ihre Befestigungen nach Belieben erobern konnte. Dann zogen sich die Männer mit 203 verwundeten sowie 62 toten Soldaten und Offizieren zurück. Statt die Gefallenen den Russen zu überlassen, trugen die Zuaven sie unter schwerem Feuer auf ihre eigene Seite. 30
Im Gegensatz zu den Angriffen der Alliierten waren manche Ausfälle der Russen so massiv, dass man hätte annehmen können, sie wollten die Alliierten aus deren Stellungen vertreiben, obgleich ihnen in Wirklichkeit die erforderliche Schlagkraft fehlte. In der Nacht vom 22. auf den 23. März attackierten die Russen mit rund 5000 Mann die französischen Stellungen gegenüber dem Mamelon. Es war der bis dahin größte Ausfall. Die Wucht des Angriffs bekamen die 3. Zuaven zu spüren, die ihre Feinde in einem wilden Handgemenge in der Dunkelheit, welche nur durch die Blitze der abgefeuerten Gewehre und Musketen erhellt wurde, abwehrten. Die Russen machten eine Flankenbewegung und besetzten rasch die schlecht verteidigten britischen Schützengräben zur Rechten, um dann auf die französische Seite zu feuern, doch die Zuaven hielten stand, bis endlich britische Verstärkungen eintrafen und die Zuaven in die Lage versetzten, die Russen zum Mamelon zurückzudrängen. Der Ausfall kam die Russen teuer zu stehen: 1000 Männer wurden verwundet und über 500 getötet, fast alle in oder an den Schützengräben der Zuaven. Nach dem Ende der Kämpfe einigten sich beide Seiten auf eine sechsstündige Waffenruhe, um die Toten und Verwundeten, die das Schlachtfeld übersäten, zu bergen. Männer, die sich noch Minuten zuvor bekriegt hatten, gingen nun freundschaftlich miteinander um, verständigten sich mit Handzeichen und dem einen oder anderen Wort in der Sprache des Gegners, obwohl fast alle russischen Offiziere das Französische, die zweite Sprache ihrer Aristokratie, beherrschten. Hauptmann Nathaniel Steevens vom 88. Fußregiment erlebte die Szene mit:
Hier sahen wir eine Menge englischer Offiziere & Männer, vermischt mit einigen russischen Offizieren & Begleitmannschaft, welche die weiße Fahne mitgebracht hatten; dies war das seltsamste Schauspiel von allen; die Offiziere plauderten so offen und unbekümmert miteinander, als wären sie die besten Freunde, und was die Soldaten anging, so waren
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