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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Wache wechseln und am wenigsten mit einem Überfall rechnen würden. 26
    Der Plan der Alliierten war schlicht: Sie wollten die Aktionen vom 18. Juni wiederholen, allerdings mit einer größeren Streitmacht und ohne die damaligen Fehler. Diesmal würden die Franzosen statt der drei Divisionen, die sie am 18. Juni verwendet hatten, zehneinhalb Divisionen einsetzen (fünfeinhalb gegen den Malachow und fünf gegen die anderen Bastionen an der Vorderseite der Stadt). Es handelte sich um eine enorme Streitmacht von 35 000 Mann, der 2000 mutige Sardinier zur Seite standen. Die französischen Kommandeure, die das Angriffssignal geben sollten, hatten ihre Uhren aufeinander abgestimmt, um eine Wiederholung des Durcheinanders zu vermeiden, das durch General Mayrans Verwechslung des entscheidenden Raketensignals ausgelöst worden war. Am Mittag erteilten sie den Befehl zum Sturm: Die Trommler schlugen auf ihre Trommeln ein, die Hörner ertönten, die Kapelle spielte die Marseillaise , und mit dem weithin hallenden Ruf » Vive l’Empereur !« preschte General MacMahons Division, insgesamt rund 9000 Mann, aus den Schützengräben vor; ihnen folgte der Rest der französischen Infanterie. Mit den beherzten Zuaven an der Spitze rannten sie auf den Malachow zu, überquerten den Festungsgraben mit Hilfe von Brettern und Leitern und kletterten die Mauern hinauf. Die Russen wurden überrumpelt, denn sie wechselten gerade die Garnison, und viele Soldaten hatten sich zum Mittagessen zurückgezogen, da sie sich nach der Einstellung des Bombardements sicher wähnten. »Die Franzosen waren im Malachow, bevor unsere Jungen nach ihren Gewehren greifen konnten«, berichtete Prokofi Podpalow, der vom Redan aus entsetzt zusah. »Innerhalb von Sekunden war das Fort mit Hunderten ihrer Männer gefüllt, und unsere Seite gab kaum einen Schuss ab. Minuten später wurde die französische Fahne am Turm gehisst.« 27
    Die Russen, von der schieren Wucht des französischen Angriffs überwältigt, flohen in panischer Angst aus dem Malachow. Die meisten Soldaten der Bastion waren Halbwüchsige aus der 15. Reserve-Infanteriedivision, die keine Gefechtserfahrung besaßen und den Zuaven nichts entgegensetzen konnten.
    Nachdem MacMahons Männer den Malachow gestürmt hatten, schwärmten sie über die Verteidigungsanlagen aus und schlossen sich den Zuaven zu einem furchterregenden Nahkampf mit den Russen in der Scherwe-(Gervais-)Batterie links vom Malachow an, während andere Verbände die Bastionen entlang der Linie attackierten. Die Zuaven besetzten die Scherwe-Batterie, doch an der rechten Flanke konnten sie das Kasaner Regiment nicht verdrängen, das tapfer standhielt, bis Verstärkungen aus Sewastopol eintrafen und den Russen einen Gegenangriff ermöglichten. Nun folgten einige der erbittertsten Kämpfe des Krieges. »Immer wieder stürmten wir mit unseren Bajonetten auf sie zu«, erinnerte sich Anatoli Wjasmitinow, einer der russischen Soldaten. »Wir hatten keine Ahnung, was unser Ziel war, und fragten uns zu keinem Zeitpunkt, ob wir Erfolg haben könnten. Wir stürzten einfach vorwärts, völlig berauscht von der Aufregung der Schlacht.« Innerhalb von Minuten war der Boden zwischen der Scherwe-Batterie und dem Malachow mit toten Russen und Franzosen, alle durcheinander, bedeckt; mit jedem neuen Ansturm kamen weitere Gefallene dazu, so dass beide Seiten beim Kampf buchstäblich auf den Verwundeten und Toten herumtrampelten, bis das Schlachtfeld zu einem wahren »Leichenberg« wurde, wie Wjasmitinow später schrieb. »Die Luft füllte sich mit dichtem rotem Staub von der blutigen Erde, so dass wir den Feind nicht mehr sehen konnten. Uns blieb nichts anderes übrig, als durch den Staub in seine Richtung zu feuern und darauf zu achten, dass wir unsere Musketen parallel zum Boden vor uns hielten.« Immer mehr Soldaten rückten nach, und schließlich überwältigte MacMahons Infanterie die Russen durch ihr stärkeres Gewehrfeuer und zwang sie zum Rückzug. Dann festigten die Franzosen ihre Kontrolle über den Malachow, indem sie behelfsmäßige Barrikaden bauten – dazu benutzten sie tote und sogar verwundete Russen als menschliche Sandsäcke sowie Gabionen, Faschinen und Schießscharten von den halb zerstörten Verteidigungsanlagen – , hinter denen sie ihre schweren Geschütze auf Sewastopol richteten. 28
    Gleichzeitig starteten die Briten ihren eigenen Angriff auf den Redan. Dieser war in mancher Hinsicht viel schwerer zu erobern als der Malachow. Die

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