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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Die Franzosen wünschten sich nicht nur einen Krim-, sondern auch einen Donaufeldzug. Falls Österreich und Preußen dazu bewogen werden konnten, sich den Alliierten anzuschließen, schwebte den Franzosen eine groß angelegte Landoffensive in den Fürstentümern und in Südrussland vor, verbunden mit einer österreichisch-preußischen Kampagne in Polen. Die Briten aber misstrauten den Österreichern, die sie für zu nachsichtig gegenüber Russland hielten, und wollten sich nicht auf ein Bündnis mit ihnen einlassen, das ihre eigenen ehrgeizigeren Pläne im Hinblick auf Russland einschränken konnte.
    Das britische Kabinett war in Bezug auf Kriegsziele und Strategie gespalten. Aberdeen bestand auf einem begrenzten Feldzug zur Wiederherstellung der türkischen Souveränität, während Palmerston und seine Kriegspartei eine aggressivere Offensive befürworteten, die den russischen Einfluss im Vorderen Orient beschränken und Russland in die Knie zwingen sollte. Beide Seiten gelangten zu einer Art Kompromiss durch die Flottenstrategie, die Sir James Graham, der Erste Lord der Admiralität, im Dezember 1853 als Reaktion auf Sinope entworfen hatte. Sein Plan sah einen raschen Angriff auf Sewastopol vor, um die russische Schwarzmeerflotte zu zerstören und die Krim zu besetzen, ehe man die wichtigere Frühjahrskampagne in der Ostsee startete, bei der britische Streitkräfte St. Petersburg erreichen sollten. Diese Strategie stützte sich auf Pläne, die bereits für den Fall eines Krieges mit Frankreich vorlagen (man ersetze Sewastopol durch Cherbourg). 46
    Während Großbritannien in den ersten Monaten des Jahres 1854 aufrüstete, ging der Gedanke an einen begrenzten Feldzug zur Verteidigung der Türkei in dem allgemeinen Kriegsfieber unter, welches das Land erfasste. Die britischen Kriegsziele eskalierten nicht nur durch den streitlustigen Chauvinismus der Presse, sondern auch weil man glaubte, dass die ungeheuren potenziellen Kosten des Krieges bedeutendere Zielsetzungen erforderten, die »der Ehre und Größe Britanniens würdig« seien. Palmerston kam immer wieder auf diesen Punkt zu sprechen. Seine Kriegsziele änderten sich im Detail, doch nie hinsichtlich ihres antirussischen Charakters. Am 19. März skizzierte er in einem Memorandum ans Kabinett einen ehrgeizigen Plan für die Aufteilung des Russischen Reiches und die neue Grenzziehung in Europa: Finnland und die Aland-Inseln würden von Russland an Schweden übergehen; Preußen sollte die Ostseeprovinzen des Zaren erhalten; Polen würde als unabhängiges Königreich und als Pufferstaat zwischen Europa und Russland vergrößert werden; Österreich sollte die Donaufürstentümer und Bessarabien von den Russen übernehmen (und Norditalien aufgeben müssen); die Türkei würde die Krim und Georgien bekommen, während Tscherkessien unter türkischer Protektion unabhängig werden sollte. Der Plan setzte einen großen europäischen Krieg mit Russland voraus, der Österreich und Preußen – und im Idealfall Schweden – auf antirussischer Seite einbezog. Im Kabinett stieß er auf erhebliche Skepsis. Aberdeen, der sich einen kurzen Feldzug erhoffte, damit seine Regierung »sich wieder mit Eifer der Aufgabe inländischer Reformen zuwenden« könne, wandte ein, dass dieses Vorhaben einen zweiten Dreißigjährigen Krieg notwendig mache. Palmerston hörte jedoch nicht auf, für seine Pläne zu werben. Im Gegenteil, je länger der Krieg dauerte, desto entschlossener war er, ihn fortzusetzen. Seine Begründung lautete, dass nur »gewaltige territoriale Veränderungen« die enormen Verluste an Menschenleben rechtfertigen könnten. 47
    Gegen Ende März hatte der Gedanke, die Verteidigung der Türkei zu einem größeren europäischen Krieg gegen Russland auszuweiten, im britischen Establishment viel Zuspruch gefunden. Prinz Albert bezweifelte, dass die Türkei gerettet werden könne, doch er war zuversichtlich, dass es möglich sei, den Einfluss Russlands in Europa durch einen Krieg zu mindern, der es seiner westlichen Gebiete beraubte. Er glaubte, Preußen könne durch das Versprechen eines »Territoriums, das es gegen russische Überfälle absichert«, zur Teilnahme am Krieg bewogen werden. Daneben befürwortete er Maßnahmen, mit denen auch die deutschen Staaten dazu gebracht werden sollten, bei der Zähmung des russischen Bären zu helfen, »dessen Zähne es zu ziehen und dessen Krallen es zu stutzen gilt«. Dem belgischen König Leopold schrieb er: »Ganz Europa,

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