Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Königin eine Quadrille mit mir und plauderte mit der liebenswürdigsten Zwanglosigkeit über die Ereignisse des Tages. Sie vertraute mir an, dass sie zu ihrem großen Bedauern am folgenden Morgen gezwungen sein werde, Russland den Krieg zu erklären.
Am nächsten Morgen – einen Tag bevor die Franzosen das Gleiche taten – wurde die Erklärung der Königin von Clarendon im Parlament verlesen. Alexander Kinglake, der große Historiker des Krimkriegs, schrieb dazu (und seine Worte könnten für jeden Krieg gelten):
Die Mühe, die Gründe für eine bedeutsame Handlungsweise schriftlich niederzulegen, ist eine heilsame Disziplin für Staatsmänner; und es wäre gut für die Menschheit, wenn zu einem Zeitpunkt, da die Frage wirklich noch offen ist, die Freunde einer Politik, die zum Krieg führt, verpflichtet wären, den Nebel mündlichen Austausches und privater Notizen zu verlassen und ihren Standpunkt in einem eindeutigen Text darzulegen.
Wäre ein solches Dokument von den Verantwortlichen erstellt worden, hätte es enthüllt, dass ihr wirkliches Ziel im Krimkrieg darin bestand, die Größe und Macht Russlands zum Nutzen »Europas«, insbesondere der Westmächte, zu beschneiden. Das jedoch konnte nicht in der Botschaft der Königin zum Ausdruck kommen. Sie sprach stattdessen äußerst vage davon, dass die Türkei uneigennützig »für die Sache des Rechts gegen das Unrecht« verteidigt werden müsse. 50
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Sobald die Erklärung an die Öffentlichkeit gelangte, bezeichneten Kirchenführer den Krieg als gerechten Kampf und als Kreuzzug. Am Sonntag, dem 2. April, wurden von Kanzeln überall im Land Predigten zum Lob des Krieges gehalten. Viele erschienen in gedruckter Form, und manche fanden Zehntausende von Käufern, denn dies war ein Zeitalter, in dem Prediger sowohl in der anglikanischen als auch in der nonkonformistischen Kirche den Status von Berühmtheiten genossen. 51 Reverend Henry Beamish von der Londoner Trinity Chapel in der Conduit Street, Mayfair, ließ seine Gemeinde wissen, es sei die »christliche Pflicht« Englands,
seine Macht zu nutzen, um die Unabhängigkeit eines schwachen Verbündeten gegenüber der ungerechtfertigten Aggression eines ehrgeizigen und heimtückischen Despoten aufrechtzuerhalten und einen Akt der egoistischen und barbarischen Unterdrückung zu bestrafen – einer Unterdrückung, die umso abscheulicher und destruktiver ist, als der Versuch gemacht wird, sie mit dem Aufruf zu rechtfertigen, dass sie die Sache der religiösen Freiheit und der höchsten Interessen des Königreichs Christi fördere.
Am Mittwoch, dem 26. April, einem speziellen Fastentag für »nationale Demut und Gebete aus Anlass der Kriegserklärung«, hielt Reverend T. D. Harford Battersby eine Predigt in der St. John’s Church, Keswick, in der er verkündete:
Das Verhalten unserer Botschafter und Staatsmänner ist so ehrenhaft und aufrichtig, so nachsichtig und gemäßigt in der Abwicklung der Geschehnisse gewesen, die zu diesem Krieg geführt haben, dass es zu diesem Zeitpunkt keinen Grund zur Demut gibt. Vielmehr sollten wir uns in unserer Rechtschaffenheit stärken, mit Worten der Selbstbeglückwünschung vor Gott hintreten und sagen: »Wir danken Dir, o Gott, dass wir nicht sind wie andere Nationen: ungerecht, begehrlich, tyrannisch, grausam; wir sind ein religiöses Volk, wir sind ein die Bibel lesendes, frommes Volk, wir schicken Missionare in die ganze Welt.«
In der Brunswick Chapel, Leeds, sagte Reverend John James am selben Tag, dass Russlands Offensive gegen die Türkei ein Angriff »auf die heiligsten Rechte unserer gemeinsamen Menschlichkeit [ist], eine Schandtat derselben Kategorie wie der Sklavenhandel und kaum minder verbrecherisch«. Die Balkanchristen, behauptete James, besäßen unter dem Sultan ein höheres Maß an Religionsfreiheit, als es ihnen je unter dem Zaren vergönnt wäre:
Überlasst die Türkei dem Sultan, und durch die Vermittlung Frankreichs und Englands werden diese bescheidenen Christen mit Gottes Segen einer vollkommenen Gewissensfreiheit teilhaftig werden … Übergebt sie Russland, und ihre Einrichtungen werden zerschlagen, ihre Schulhäuser geschlossen, ihre Gebetsstätten entweder zerstört oder zu Tempeln eines Glaubens umgestaltet werden, der so unrein, demoralisierend und intolerant ist wie der Papismus selbst. Welcher britische Christ kann zögern, wenn die richtige Handlungsweise für ein Land wie unseres in einem Fall wie diesem gewählt werden muss? … Es
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