Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
ist ein gottgefälliger Krieg, ungeachtet jeglicher Gefahr die Horden des heutigen Attila zurückzutreiben, der die Freiheit und das Christentum nicht nur der Türkei, sondern der zivilisierten Welt bedroht. 52
Zur Einschiffung der »christlichen Soldaten« Großbritanniens in den Orient hielt Reverend George Croly eine Predigt in der Londoner St. Stephen’s Church, Walbrook. Er betonte, dass England an einem Krieg zur »Verteidigung der Menschheit« gegen die Russen – ein »hoffnungsloses und entartetes Volk«, das es auf die Eroberung der Welt abgesehen habe – teilnehme. Dies sei ein »Glaubenskrieg«, in dem die wahre westliche Religion vor der griechischen Abweichung in Schutz genommen werde: »der erste orientalische Krieg seit den Kreuzzügen«. »Während England im letzten Krieg [gegen Napoleon] eine Zuflucht für die Grundsätze der Freiheit war, könnte es im nächsten als Zuflucht für die Grundsätze der Religion dienen. Mag es nicht der göttliche Wille sein, dass England, nachdem es als Verfechter des Glaubens triumphiert hat, die noch erhabenere Auszeichnung des Lehrers der Menschheit zugewiesen wird?« Englands Bestimmung im Orient, so Reverend Croly, könne durch den kommenden Krieg vorangebracht werden. Sie bestehe in nichts Geringerem als darin, die Türken zum Christentum zu bekehren: »Das große Werk mag langsam und schwierig sein und durch den Untergang von Königreichen oder die Leidenschaften von Menschen aufgehalten werden – aber es wird gedeihen. Warum sollte die Kirche von England diesem Werk nicht zu Hilfe kommen? Warum sollte sie nicht sogleich feierliche und öffentliche Gebete für den Erfolg unseres gerechten Krieges, für die Wiederherstellung des Friedens und die Bekehrung der Ungläubigen abhalten?« 53
In unterschiedlichem Maße riefen alle Hauptakteure des Krimkriegs – Russland, die Türkei, Frankreich und Großbritannien – die Religion aufs Schlachtfeld. Doch als der Krieg schließlich begann, waren seine Ursprünge im Heiligen Land vergessen und von dem europäischen Krieg gegen Russland verdrängt worden. Laut James Finn, dem britischen Konsul in Jerusalem, verliefen die Osterfeierlichkeiten am Heiligen Grab 1854 »sehr ruhig«. Wegen des Kriegsausbruchs erschienen kaum russische Pilger, und die griechischen Gottesdienste wurden von den osmanischen Behörden straff organisiert, um eine Wiederholung der religiösen Handgreiflichkeiten zu verhindern, die in den Jahren zuvor zur Regel geworden waren. Innerhalb von Monaten würde sich die Aufmerksamkeit der Welt den Kampfplätzen der Krim zuwenden, und Jerusalem würde aus dem Blickfeld Europas verschwinden, doch vom Heiligen Land aus betrachtet, erschienen diese fernen Ereignisse in einem anderen Licht. So schrieb der britische Konsul in Palästina:
In Jerusalem sah es anders aus. Diese wichtigen Ereignisse schienen bloß Aufbauten auf dem ursprünglichen Fundament zu sein. Denn obwohl in der Diplomatie die Angelegenheit (die Orientalische Frage) nominell zu einer Frage des religiösen Schutzes geworden war … hatte sich unter uns die feste Überzeugung herausgebildet, dass der Kern des Ganzen bei uns an den heiligen Stätten zu finden sei; dass sich die Ansprüche von St. Petersburg, kraft eines Vertrags kirchlichen Schutz gewähren zu müssen, immer noch, wie ganz am Anfang, auf den tatsächlichen Besitz der Heiligtümer an der hiesigen Quelle des Christentums richteten – dass diese Heiligtümer fürwahr der Preis seien, um den gigantische Athleten in der Ferne stritten. 54
* Nesselrode wurde unterstützt von Baron Meyendorff, dem russischen Botschafter in Wien, der dem Zaren am 29. November meldete, dass die »kleinen christlichen Völker« nicht an der Seite Russlands kämpfen würden. Sie hätten in der Vergangenheit nie Hilfe von Russland empfangen und seien nun in »einem Zustand militärischer Armut« und unfähig, den Türken standzuhalten ( Peter von Meyendorff. Ein russischer Diplomat an den Höfen von Berlin und Wien. Politischer und privater Briefwechsel 1826–1863 , hrsg. von O. Hoetzsch, 3 Bde. [Berlin und Leipzig 1923], Bd. 3, S. 103 f.).
** Ein Hinweis auf die Expeditionsstreitmacht von General Oudinot in den Jahren 1849/50, welche die antipäpstliche Römische Republik angriff und Pius XI . nach Rom zurückbrachte. Die französischen Soldaten blieben bis 1870 in Rom, um den Papst zu beschützen.
*** Während der Opiumkriege von 1839–1842.
**** Ein Hinweis auf die
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