Kristall der Macht
haben alles besprochen. Ich denke, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.« Er nickte dem König und Rivanon zu. Dann folgte er dem Pagen und verließ den Thronsaal.
»Erlaubt mir noch eine Frage«, wandte Rivanon sich wieder an den König, als Triffin gegangen war: »Was ist, wenn die Maor-Say nicht einwilligt, das Heer für uns zu vernichten?«
Azenor grinste, ein Zeichen dafür, dass er für diesen Fall vorgesorgt hatte. »Dann, mein lieber Rivanon, werde ich zu anderen, weit weniger freundlichen Mitteln greifen müssen. Du glaubst doch nicht, dass ich dieses Pack vom Strand aus reiner Nächstenliebe in den Palast schaffen lasse?«
* * *
Der Kurier erwartete Triffin in einem der Räume, die den Gästen im Palast für Unterredungen zur Verfügung standen. Die Besprechung war kurz und nicht dazu angetan, Triffin auf andere Gedanken zu bringen. Der Kurier führte beunruhigende Zahlen und Fakten zur aktuellen Lage am Gonwe mit sich und einen besorgten Brief des befehlshabenden Kommandanten, der einen baldigen Angriff der Rakschun befürchtete.
Triffin entließ den Boten mit einem Dank und dem Befehl, sich am kommenden Nachmittag für eine Rückkehr zum Gonwe bereitzuhalten. Dass er zu der Zeit selbst an den Gonwe zurückzukehren plante und fest damit rechnete, dass die Maor-Say ihn begleiten würde, um von dort aus ihre zerstörerische Magie zu wirken, behielt er aber noch für sich.
Kaum dass der Kurier gegangen war, griff Triffin nach einem Pergament, schnitt es mit einem Messer auf die richtige Größe, nahm die bereitstehende Schreibfeder zur Hand und schrieb mit geschwungenen Buchstaben folgenden Text auf das weiße Blatt:
»Vesiw enri Reier lass ackene such Seele Tieren
somnu otan Fests ob Reime talli
dud asse sennem Lofap anuf gune er rund!«
T.
Er steckte die Feder wieder in das Tintenfass zurück, überflog noch einmal die Zeilen und überprüfte die Botschaft, die sich darin verbarg: Verlasst sofort das Lager!
Dies war eindeutig und lange zuvor so abgesprochen worden für den Fall, dass eine unvorhergesehene Wendung auftrat. Arkon würde nicht zögern, dem Befehl Folge zu leisten und sich in Sicherheit bringen, ehe die Maor-Say das gesamte Heer der Rakschun in Stein verwandeln konnte. Sobald klar war, ob die Maor-Say zur Zusammenarbeit bereit war, würde er Arkon eine Nachricht darüber zukommen lassen, wann und wo ihn die Krieger Baha-Uddins am Ufer des Gonwe erwarten würden, um ihn in Sicherheit zu bringen. Triffin rollte das Pergament zusammen, verließ das spärlich eingerichtete Zimmer und machte sich auf den Weg zur Schmiede.
Mael war nicht da, aber Triffin kannte sich inzwischen gut genug aus, um die Botentaube selbst herzurichten. Mit sicherer Hand holte er eine der Tauben, die Arkon selbst aufgezogen hatte, aus ihrem Verschlag und befestigte das versiegelte Röhrchen mit der Botschaft an ihrem Bein. Dann trat er auf den Hof hinaus und ließ sie in den Abendhimmel aufsteigen. Für einen Augenblick beobachtete er noch, wie sich die Taube mit klatschendem Flügelschlag über die Dächer des Palastes erhob, zwei Runden über dem Hofplatz drehte und in Richtung des Gonwe davonflog. Dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg zurück in den Palast.
Weit kam er nicht. Er hatte den Platz vor der Schmiede noch nicht verlassen, als eine dunkle Gestalt aus den Schatten trat und ihm den Weg versperrte. »Es muss wahrlich eine wichtige Botschaft sein, mit der du die Taube so spät noch auf die Reise schickst.« Fürst Rivanon trat ins Licht einer Öllampe und musterte Triffin aufmerksam.
»Arkon ist einer von uns«, sagte Triffin ruhig. »Er hat gute Arbeit geleistet. Ich bin nicht bereit, ihn zu opfern.«
»Und da hast du ihn mal eben vorgewarnt?«, fragte der Fürst lauernd.
»Er erhält den Befehl, das Lager zu verlassen«, entgegnete Triffin kühl, weil er genau wusste, worauf der Fürst anspielte. »Nicht weniger, aber auch nicht mehr. So wie wir es vor seiner Abreise besprochen haben. Die Gründe dafür kennt er nicht.«
»Das will ich hoffen.« Rivanon bedachte sein Gegenüber mit einem vielsagenden Blick. Dann drehte er sich ohne ein Wort des Abschieds um und stapfte davon.
* * *
»Kaori?« Suchend blickte Noelani sich in dem Zimmer um. »Bist du da?« Nur wenige Schritte hinter ihr sah sie ihren Körper auf dem Boden vor der flachen Wasserschale sitzen. Die Beine untergeschlagen, die Hände entspannt im Schoß ruhend, die Augen geschlossen. Der
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