Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
Wahrheit gesagt und wahrlich nicht übertrieben. Wie es den Anschein hatte, planten die Rakschun schon sehr bald einen massiven Angriff, und wenn Noelani daran dachte, wie wenige Feuer auf der anderen Seite des Flusses zu sehen gewesen waren, konnte sie verstehen, warum man sich in Baha-Uddin davor fürchtete.
    »Sieh nur, all die Waffen«, hörte sie Kaori bestürzt sagen und entdeckte auch gleich, wovon ihre Schwester sprach. Etwas abseits der Flöße lagen Tausende Speere, Schwerter und andere, seltsam anmutende Waffen, wie stachelige Kugeln an Ketten und stachelbewehrte Keulen, die Noelani nie zuvor gesehen hatte, sorgsam aufgeschichtet in einem gut bewachten Rundzelt nebeneinander. Ganz so, als sei schon alles dafür vorbereitet, sie an die Krieger auszugeben. Ein anderes, nicht weniger gut bewachtes Zelt war voll mit Tausenden Pfeilen, die in ledernen Köchern steckten, und Stapeln von kurzen, stark geschwungenen Bogen.
    »Das wird kein Kampf, sondern ein sinnloses Abschlachten«, sagte Kaori voller Abscheu. »Du hast recht, wir sollten wirklich alles tun, um das zu verhindern.«
    »Der König verlangt, dass ich alle diese Krieger hier in Stein verwandle.« Noelani seufzte bekümmert. »Aber das … das kann ich nicht«, sagte sie betrübt. »Niemals.«
    »Das verstehe ich«, stimmte Kaori ihr zu. »Aber vielleicht geht es ja auch anders.«
    »Wie meinst du das?« Noelani horchte auf.
    »Das ist doch ganz einfach«, sagte Kaori verschwörerisch. »Ohne Waffen können die Krieger nicht kämpfen und ohne die Flöße den Gonwe nicht überqueren. Wenn sich beides urplötzlich in Stein verwandelt, können sie Baha-Uddin nicht mehr angreifen.«
    »Kaori, das … das ist wunderbar. Danke. Was würde ich nur ohne dich machen?« Noelani fühlte sich mit einem Mal, als wäre ihr eine große Last von den Schultern genommen worden. »Das würde bedeuten, dass ich niemanden töten muss, wenn es mir gelingt, die Kristalle nur um diese Zelte und die Flöße zu platzieren.«
    »Nun, die Wachen …«
    »Ach, da fällt mir sicher etwas ein.« Noelani war so begeistert, dass sie sich durch nichts von dem Plan abbringen lassen wollte. Wenn König Azenor sich auf ihren Vorschlag einließ, konnte sie ihr Volk retten und ihr Versprechen einlösen, ohne dass dafür Menschenleben geopfert wurden. »Lass uns zurückkehren«, sagte sie voller Tatendrang. »Ich muss Jamak sofort von dem Plan berichten. Wenn er erfährt, was ich vorhabe, kann er nicht mehr dagegen sein, dass ich dem König helfe.«
     
    *  *  *
    Über den Rundzelten des Rakschunlagers wechselte die Farbe des Himmels langsam von Tiefschwarz zu Hellgrau. Die Sterne verblassten, und der Nebel, der sich gegen Ende der Nacht über der Ebene gebildet hatte, verschwand, während weit im Osten ein dünnes, rosafarbenes Wolkenband vom Beginn des neuen Tages kündete.
    Nuru fror. Seit einer Stunde harrte er bereits nahe Arkons Zelt aus und suchte den Himmel im Süden nach Vögeln ab.
    Nach Tauben.
    Seit er von dem Gespräch mit Olufemi zurückgekehrt war, hatte er Arkon nicht aus den Augen gelassen, aber er hatte vergeblich gewartet. Den ganzen Tag über hatte sich nicht eine Taube blicken lassen. Und selbst wenn, hätte es für ihn keine Möglichkeit gegeben, sie abzufangen, ohne dass der stumme Schmied es bemerkt hätte, denn Arkon schien immer auf der Hut zu sein. Erst jetzt, da Nuru ihn unauffällig, aber sehr genau beobachtet hatte, hatte er bemerkt, wie oft Arkons Blick während der Arbeit zum Himmel wanderte, wo er, wie es schien, nach den Tauben Ausschau hielt.
    Die einzige Zeit, in der es möglich war, eine Taube unbemerkt zu fangen, war, wenn Arkon schlief. Nuru kannte sich nicht besonders gut mit Tauben aus, vermutete aber, dass sie wie die meisten Vögel des Nachts nicht flogen. So hatte er sich schon vor dem Morgengrauen auf seinen Posten begeben, um ihnen in der knappen Zeit, bis Arkon erwachte, aufzulauern.
    Wenn sie denn kamen.
    Nuru seufzte, hob die Hände vor den Mund und hauchte gegen die kalten Finger, um sie zu wärmen. Diese morgendliche Wache war ein Glücksspiel, da machte er sich nichts vor. Wenn das Schicksal es wollte, konnte er noch bis zum Angriff jeden Morgen hier vor dem Zelt ausharren, ohne auch nur eine einzige Taube zu Gesicht zu bekommen. Wohl schon zum hundertsten Mal tastete er nach dem kurzen, stark geschwungenen Bogen, der zusammen mit einigen Pfeilen neben ihm auf dem Boden lag. Nur wenige im Lager wussten, dass er nicht nur ein

Weitere Kostenlose Bücher