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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erstarrte, als die namenlose Bedrohung in ihrem Verstand Gestalt annahm. Auf einmal sah die Große voraus, was kein anderer der Familie voraussah: dass morgen die Wasserstelle – trotz allem, was seit Generationen Gültigkeit gehabt hatte – mit einer dicken Schicht Asche bedeckt sein würde.
    Ein Schrei gellte durch die Nacht.
    Wiesel in den Geburtswehen. Rasch brachten die anderen Frauen sie vom Lager weg in die Abgeschiedenheit der Bäume. Die Männer dagegen griffen nach ihren Speeren und hasteten zum Rand des Lagers, sammelten unterwegs zusätzlich Steine auf, zur Abschreckung der Raubtiere und Hyänen, die sich anpirschen würden, sobald sie das Schreien eines zarten Menschenkindes hörten und die Witterung von Geburtsblut aufnahmen. Instinktiv bildeten die weiblichen Familienmitglieder einen Kreis um Wiesel, und zwar so, dass sie der Gebärenden den Rücken zukehrten, und johlten und stampften mit den Füßen, um Wiesels Schmerzenslaute zu übertönen. Bei der Niederkunft half niemand. An den Stamm einer Akazie geklammert, hockte Wiesel da und presste, mühte sich, von kalter Panik erfasst, nach Kräften ab. Hatte sie über den Schreien ihrer Gefährtinnen nicht das triumphierende Gebrüll eines Löwen gehört? War da nicht ein Rudel Raubkatzen mit Fängen und Klauen und gelben Augen drauf und dran, von den Bäumen zu schnellen, um sie in Stücke zu reißen?
    Endlich kam das Baby heraus. Wiesel legte es sich sofort an die Brust, schüttelte und streichelte es, bis es schrie. Alte Mutter kniete sich neben sie und massierte ihr den Unterleib, so wie sie es bei sich selbst und später dann bei ihren Töchtern getan hatte, um das Ausstoßen der Plazenta zu beschleunigen. Und dann war auch das erledigt, und nachdem die Frauen eilends das Blut und die Nachgeburt verscharrt hatten, versammelte sich die Familie um die junge Mutter und schaute neugierig das zappelnde kleine Wesen an ihrer Brust an. Da bahnte sich unvermittelt die Unfruchtbare den Weg durch die Menge, riss Wiesel den nuckelnden Säugling aus den Armen und rannte davon. Sofort nahmen die Frauen die Verfolgung auf, schleuderten Steine gegen die Räuberin. Auf ihrer Flucht ließ die Unfruchtbare das Baby fallen, aber die Frauen hetzten ihr weiterhin nach, so lange, bis sie sie eingefangen hatten. Mit Ästen schlugen sie auf sie ein, gnadenlos, bis die blutüberströmte Gestalt zu ihren Füßen regungslos liegen blieb. Als sie sicher sein konnten, dass die Unfruchtbare nicht mehr atmete, kehrten sie mit dem Baby, das wunderbarerweise noch lebte, zum Lager zurück. Löwe bestimmte, dass unverzüglich aufzubrechen sei. Die Leiche der Unfruchtbaren und das Geburtsblut würden die gefährlichen Aasfresser anziehen, insbesondere die Geier, die sich durch nichts abhalten ließen. Deshalb zogen sie, obwohl es noch dunkel war, mit Fackeln bewaffnet hinaus auf die offene Ebene. Gerade noch rechtzeitig, denn hinter ihnen war bereits das laute Knurren zu hören, mit dem die Raubtiere über die tote Unfruchtbare herfielen und sie in Stücke rissen.
    Wieder brach ein neuer Tag an, und noch immer rieselte Asche hernieder.
    Bewegung kam in die Menschen, die vom lauten Gezwitscher der Vögel und dem Geschnatter der Affen in den Bäumen geweckt wurden. Nach Raubtieren Ausschau haltend, jetzt, da die Feuer um das Lager herum erloschen waren, begaben sie sich zu der Tränke, an der Zebras und Gazellen vergeblich ihren Durst zu stillen suchten: Eine dicke Rußschicht bedeckte das Wasser, sodass man es gar nicht mehr sehen konnte. Die Menschen, denen es gelang, den vulkanischen Niederschlag mit den Händen beiseite zu schöpfen, stießen darunter immerhin auf Wasser, aber auf Wasser, das mit Sand versetzt war und modrig schmeckte. Während die anderen sich daranmachten, nach Eiern und Schalentieren zu graben und dort, wo es flach war, nach Fröschen und Schildkröten und den Wurzeln von Lilien zu suchen, richtete die Große den Blick nach Westen, wo der rauchende Berg sich gegen den noch immer dunklen Nachthimmel abhob. Die Sterne waren wegen der mächtigen Rauchwolken nicht zu erkennen. Die Große drehte sich um und spähte zum östlichen Horizont, der allmählich heller wurde und wo die Sonne bald auftauchen würde. Der Himmel dort wurde durch nichts getrübt, sogar die letzten Sterne waren noch auszumachen. Erneut schaute sie hinüber zum Berg, und wieder kam ihr die Erkenntnis der Nacht zuvor, als sie zum ersten Mal in der Geschichte ihres Volkes einzelne Teile einer

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