Kristall der Träume
Gleichung erfasst und zu einer Antwort zusammengesetzt hatte: Der Berg spuckte Rauch… den der Wind nach Westen wehte… sodass die Wasserstellen in dieser Richtung durch Ruß vergiftet wurden.
Dies nun war sie bemüht, den anderen verständlich zu machen; sie suchte nach Worten und Gesten, die die Bedeutung dieser neuen Gefahr veranschaulichten. Löwe jedoch, der auf seinen Instinkt baute und auf das, was ihm von seinen Vorfahren in Erinnerung war, und der nichts von Ursache und Wirkung wusste, sondern nur, dass alles immer so gewesen war und sein würde, konnte eine solche Schlussfolgerung nicht nachvollziehen. Was hatten der Berg und der Wind mit dem Wasser zu tun? Er griff nach seinem Speer und gab den Befehl zum Aufbruch.
Die Große ließ sich nicht abweisen. »Schlecht! «, sagte sie mit wachsender Verzweiflung und deutete nach Westen. »Schlecht!«
Dann deutete sie aufgeregt nach Osten, wo der Himmel klar war und, wie sie wusste, das Wasser sauber sein würde. »Gut! Wir gehen!«
Löwe blickte die anderen an. Deren Gesichter waren jedoch ausdruckslos, weil sie nicht verstanden, was die Große zu sagen versuchte. Warum nicht das tun, was sie seit jeher taten? Und so zogen sie weiter, einmal mehr in westlicher Richtung, und begannen ihre tägliche Nahrungssuche, hielten Ausschau nach Geiern, weil das ein Hinweis sein konnte, dass irgendwo ein Kadaver herumlag, möglicherweise einer mit langen Knochen und wohlschmeckendem Mark. Löwe und die kräftigeren Männer rüttelten an den Bäumen, damit Nüsse und Früchte herabfielen oder aber Schoten, die dann später im Feuer geröstet werden konnten. Die Frauen machten sich über Termitenhügel her, aus denen sie mit kleinen Stöcken die Insekten herausholten, um sie auf der Stelle zu verspeisen. Die Kinder hatten Honigameisen aufgestöbert, denen sie die mit Nektar gefüllten Unterleiber abbissen, immer darauf bedacht, nicht mit den spitzen Kauwerkzeugen der Ameisen in Berührung zu kommen.
Angesichts solch winziger Happen nahm die Nahrungssuche verständlicherweise nie ein Ende. Die Große wurde weiterhin von einer bösen Vorahnung gequält: Das Wasser auf diesem Weg wird immer schlechter. Gegen Mittag stieg sie auf einen kleinen Hügel.
Sie schirmte die Augen gegen die Sonne ab und schaute über die gelblich braune Savanne. Als sie unvermittelt einen Schrei ausstieß und mit den Armen herumfuchtelte, wussten die anderen, dass sie ein Nest mit Straußeneiern entdeckt hatte. Vorsichtig näherten sie sich dem riesigen Vogel, der das Gelege bewachte. Die schwarzweißen Federn verrieten ihnen, dass es sich um ein männliches Tier handelte, was ungewöhnlich war, denn normalerweise brüteten tagsüber die braunen Weibchen. Dieser Vogel hier wirkte allein schon durch seine Größe Respekt einflößend. Und wahrscheinlich hielt sich das Weibchen ganz in der Nähe auf und würde ebenfalls mit allen Mitteln sein Nest verteidigen.
Auf einen Befehl von Löwe hin liefen der Hungrige und Beule, Skorpion, Nüster und die anderen Männer mit Stöcken und Keulen und unter lautem Geschrei auf den Strauß zu, worauf der riesige Vogel mit mächtigem Flügelschlag aufflog und sich den Störenfrieden stellte. Das Gefieder gespreizt, den Hals nach vorn gereckt, griff er mit dem Schnabel an und teilte mit seinen kräftigen Beinen Fußtritte aus. Jetzt kam auch das Weibchen hinzu; das gewaltige braun gefiederte Tier raste mit ungeheurer Geschwindigkeit über die Ebene, die Flügel gespreizt, den Hals nach vorn gereckt, spitze Schreie ausstoßend.
Während Löwe und die anderen Männer die Vögel ablenkten, rafften die Große und die anderen Frauen so viele Eier zusammen, wie sie erwischen konnten, und rannten davon. Unter einer Baumgruppe angelangt, machten sie sich sofort daran, die Rieseneier aufzubrechen und auszuschlürfen. Nachdem sie zwei Vögel in heller Verzweiflung über ihr ausgeraubtes Nest zurückgelassen hatten, kamen auch Löwe und seine Mannen atemlos hinzu und griffen sich ihren Teil, schlugen Löcher in die dicken Schalen und angelten sich dann mit den Fingern Dotter und Eiweiß heraus. Wenn einer ein fast ausgebrütetes Straußenküken in seinem Ei fand, war die Freude umso größer. Auch Alte Mutter wurde bedacht. Die Große brachte ihr ein Ei, klopfte es an der Spitze auf und drückte es der Greisin in die Hand, ehe sie sich selbst niederließ, um den Inhalt des letzten ihr verbliebenen Eis zu verspeisen. Aber kaum hatte sie es aufgeschlagen, baute sich Löwe
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