Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
nahm mir meinen Mann und meine beiden Kinder, sodass ich allein zurückblieb. Wir wenigen Überlebenden verstreuten uns in alle Winde. Ich verdingte mich als Dienstmagd in einem Gasthof, wo ich auch Näharbeiten übernahm. Eines Abends traf eine Familie dort ein, die Frau hochschwanger. Sie gaben bei mir das Taufkleid für das Baby in Auftrag. Doch die Mutter starb bei der Geburt. Ihr Mann kam zu mir, von Schmerz überwältigt. Ich habe noch nie einen Mann so weinen sehen.« Wieder ein mühsamer Atemzug. »Er berichtete mir, er befände sich auf einer Reise… Er und seine Söhne hätten einen weiten Weg vor sich und könnten unmöglich ein Neugeborenes mitnehmen. Mitten in der Nacht kam er zu mir, Katharina, weinte wie ein Kind und bat mich, seine kleine Tochter bei mir zu behalten.
    Er versprach mir, er würde zurückkommen und sie holen. Dieses Kind warst du, Katharina.«
    Ein Murmeln erhob sich in der Menge vor der Tür, bis Braumeister Müller sie mit erhobenem Arm zum Schweigen brachte.
    Doktor Mahmoud nahm Isabellas Handgelenk und fühlte ihren Puls.
    Seine Miene wurde immer ernster. Sein Blick verriet Katharina, dass nicht mehr viel Zeit blieb.
    Isabella fuhr fort: »Und so nahm ich das Kind in meine Obhut und versprach, bis zu seiner Rückkehr gut für es zu sorgen. Danach verließ ich den Gasthof. Ich traute den Wirtsleuten nicht und fürchtete, sie könnten mich bestehlen, weil mir der Fremde Goldmünzen für deinen Unterhalt gegeben hatte. Ich schlug mich nach Torbach durch, wo ich den Leuten erzählte, ich sei eine Witwe, was ja auch stimmte, und du seist mein Kind, was nicht stimmte. Ich glaubte, dein Vater könne mich trotzdem wiederfinden, weil ich mich nicht allzu weit entfernte… «
    Isabella brachte nun keinen Ton mehr hervor und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Behutsam schob Doktor Mahmoud seine Hand unter ihren Kopf und hielt ihr eine Tasse Wasser an den Mund, doch es gelang ihr nicht zu trinken. Nach einer langen Pause redete sie weiter. »Der Mann… dein Vater, Katharina, hat mir etwas gegeben… Öffne die Schachtel und nimm die Bänder heraus. Den Boden… kannst du hochheben. Dort ist etwas versteckt.
    Das gehört dir.«
    Zu ihrer Überraschung entdeckte Katharina in der Bänderschachtel einen doppelten Boden, und darunter fand sie einen in ein Taschentuch gewickelten Gegenstand. Sie wickelte ihn aus und erblickte durch einen Tränenschleier ein religiöses Miniaturbild, so groß wie ihre Hand.
    »Das gehört zu einem Paar – einem Diptychon, wie das Bild über dem Altar in unserer Kirche. Nur eben viel, viel kleiner. Siehst du den blauen Stein im Bild, mein Liebes? Der findet sich auch auf dem anderen Bild. Zusammen erzählen sie eine Geschichte.«
    »Mutter…« Katharina versagte die Stimme. »Ich verstehe nichts…«
    »Dein Vater… besaß diese beiden Miniaturen… ein Diptychon, von einem Scharnier zusammengehalten. Er brach es entzwei…«
    Isabella schloss die Lider und sah vor ihrem inneren Auge das feierliche Ritual, das sich vor siebzehn Jahren mitten in der Nacht vollzogen hatte. »… und gab mir diese Hälfte, dieses kleine Bild.
    Denn für den Fall, dass er dich nicht selbst holen könnte und einen Mittelsmann schicken müsste, sollte dieser die andere Hälfte vorzeigen, und wenn die beiden Bilder zusammenpassten, wüsste ich Bescheid.«
    Katharina sah ihre Mutter verwirrt an, dann betrachtete sie stirnrunzelnd die Miniatur in ihrer Hand. »Ist das die Muttergottes?«
    Auf dem Bild hielt eine in mittelalterliche Gewänder gekleidete Frau einen blauen Kristall an ihre Kehle. Eine rätselhafte Geste. Dass es sich um einen Stein von ungeheurem Wert handelte, sprang sofort ins Auge, denn er war ungemein prachtvoll in Farbe und Leuchtkraft.
    Isabellas Stimme kam von weit weg, als nähme ihre Seele bereits Abschied. »Er zeigte mir das andere Bild… Oben stand auf Lateinisch: Sancta Amelia, ora pro nobis.«
    »Heilige Amelia, bete für uns«, flüsterte Katharina, die den Blick nicht von der Miniatur wenden konnte – dem Bild, das ihrem Vater gehört hatte.
    »Er sagte… der blaue Kristall auf dem Bild sei der Sankt-Amelien-Stein, der magische Heilkräfte besäße, weil Jesus selbst ihn Amelia gegeben hätte.«
    Katharina war von der Miniatur wie hypnotisiert. Wie ließe sich die Farbe des Steins in Worte fassen? Er war nicht himmelblau, das war zu blass, auch nicht meerblau, denn das war zu dunkel. Der Stein war auch nicht einfach in einer Farbschicht

Weitere Kostenlose Bücher