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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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und legte schwer beringte Hände auf ihren dicken Bauch. »Ich trage den Erben des Sultans in mir«, erklärte sie, eine unnötige Äußerung, die jedoch eines unmissverständlich klarstellte: Asmahans Sohn hatte keine Chance.
    Als sich Katharina zum Gehen wandte, schickte ihr die schneidende Stimme der Sultanin eine Warnung nach: »Pass auf, Mädchen, denn während du Asmahan beobachtest, wirst du selbst beobachtet. Jeder Schritt, den du tust, wird mir hinterbracht.«
    Katharina ging weiterhin jeden Abend wegen vorgeblicher Stickarbeiten zu Asmahan, doch ihr neues, furchtbares Geheimnis bedrückte sie schwer. Sie spielte mit Bulbul, erzählte ihm Geschichten und sang ihm Lieder vor, während Asmahan ihnen traurig zusah, denn die Tage mit ihrem Sohn waren gezählt. Die ganze Zeit überlegte Katharina fieberhaft, was sie Safiya bloß berichten solle, ob sie Asmahan ins Vertrauen ziehen solle und ob Adriano jemals gefunden würde. Tagsüber fühlte sie sich bei jedem Schritt von unsichtbaren Späherblicken verfolgt. Der Palast war wie ein Schwamm durchlöchert von Geheimklappen, geheimen Durchgängen und Gucklöchern. Jeder spionierte jedem nach. Abend für Abend fragte Katharina bei ihrer Ankunft in Asmahans Gemächern: »Gibt es etwas Neues von Adriano?« Und Abend für Abend lautete die Antwort: »Ich habe nichts Neues zu berichten.«
    Bis Katharina ernsthaft zu überlegen begann: Die Sultanin hat mehr Macht als Asmahan. Wenn ich ihr von Asmahans Plänen berichte, wird sie vielleicht Adriano retten und uns beiden die Freiheit schenken. »Ich erfülle dir jeden Wunsch«, hatte die mächtige Sultanin versprochen. Und dann sagte Asmahan eines Abends: »Die Gefahr für meinen Sohn wächst. Safiya hat geschworen, dass er den Sultansthron nicht besteigen wird.«
    »Aber wenn die Sultanin ein Mädchen bekommt?«
    »Dann wird sie meinen Sohn aus Eifersucht ermorden. Sein Leben schwebt jeden Tag in größerer Gefahr. Ich bekomme Angst.
    Mein Eunuch hat einen Leibwächter gefunden, dem wir vertrauen können. Dieser Mann wird Bulbul jede Minute bis zum Tag des Aufbruchs bewachen.«
    »Wie könnt Ihr sicher sein, dass Ihr ihm vertrauen könnt?« Du kannst ja nicht einmal mir vertrauen! Katharina verfluchte das Schicksal, das sie in eine solche Zwickmühle gebracht hatte: entweder Asmahan zu helfen oder sie zu verraten und die Sultanin um Hilfe bei der Suche nach Adriano zu bitten.
    »Bist du eine gute Menschenkennerin, Katharina? Vielleicht kannst du selbst beurteilen, ob wir diesem Mann vertrauen können.«

    Asmahan deutete zu ihrem Privatgarten, wo Bulbul gern Spielzeugboote auf dem Fischteich segeln ließ.
    Katharina ging hinaus unter den Nachthimmel und sah neben einer Trauerweide eine hoch gewachsene Gestalt in einem langen Gewand stehen, einen mageren, abgezehrten Mann mit zottigem Bart und Haaren, die ihm bis über die Schultern gewachsen waren. Und als er sich umdrehte, sah sie in dunklen Höhlen liegende Augen und tiefe Falten in den Winkeln eines Mundes, der seit langem nicht gelächelt hatte.
    Er starrte sie einen Augenblick lang an, dann begann sein Gesicht langsam zu leuchten, als er sie erkannte. »Dank sei Gott dem Gnädigen«, flüsterte er und trat einen unsicheren Schritt auf sie zu.
    Doch Katharina war schon zu ihm gestürzt und wurde von ausgemergelten Armen in der zärtlichsten Umarmung umschlungen.
    Unter dem Gewand spürte sie nur noch Haut und Knochen und weinte an einer Schulter, die ihre kräftige Rundung verloren hatte.
    Adriano weinte mit ihr, denn er hatte geglaubt, er würde sie nie wiedersehen.
    »Wie…«, setzte Katharina an, beugte sich aber dann zurück und versank in seinen Anblick wie in einen Traum. Er wischte sich die Tränen ab. Dann führte er Katharina zu einer Bank, setzte sich und sah sie an. Erst nach einer Weile konnte er erzählen.
    »Während ich im stinkenden Bauch eines Sklavenschiffs saß, dachte ich an eine junge Frau, der ich begegnet war, eine sehr tapfere junge Frau, die die Sicherheit ihrer Heimatstadt aufgegeben hatte und auf ein angenehmes, behütetes Leben verzichtete, um in die Welt hinauszugehen und ihren Vater zu finden. Keine Gefahr konnte sie von ihrem Weg abhalten, nicht einmal ein Schiffbruch, der sie mit einem Fremden auf eine Insel spülte. Als ich die Entschlossenheit in ihrer Stimme hörte und ihre Willenskraft erkannte, dachte ich: ›Was dieses Mädchen kann, das kann ich doch auch.‹ Ich betete zur Heiligen Jungfrau und erneuerte mein Gelöbnis, ihren

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