Kristall der Träume
nähten, die für das Bett des Sultans auserwählt worden war, und schlug Katharina Nadel und Faden aus der Hand. »Die Sultanin! Sie hat nach dir geschickt! «
Katharina blieb das Herz stehen. Die Sultanin! Hatte sie Asmahans geheime Pläne aufgedeckt?
Auf sie wartete ein Eunuch, der sie begleiten sollte, ein Furcht einflößender Hüne, den Katharina noch nie gesehen hatte. Er war elegant gekleidet und trug einen Turban aus Goldbrokat mit üppigem Federschmuck. Seine Nase war ihm vor langem abgeschnitten und durch einen goldenen Schnabel ersetzt worden, sodass er aussah wie ein mythisches Geschöpf. Wortlos wandte er sich um und schritt voran. Katharina folgte ihm neugierig, doch als sie sich dem verbotenen Perlentor näherten, überfiel sie ein ängstliches Zittern.
Wie viele waren durch dieses Tor geschritten, um niemals wiederzukehren? Wenn die Sultanin ihrer Verschwörung mit Asmahan auf die Schliche gekommen war, konnte sie jede Hoffnung fahren lassen, hier jemals wieder lebend herauszukommen.
Katharina hatte nicht geglaubt, dass es noch prächtigere Gemächer als die von Asmahan geben könnte, doch vor der Privatsuite der Sultanin verschlug es ihr den Atem. Sie hatte gehört, dass die Sultanin eine Leidenschaft für Perlen besaß, aber was sie hier sah, übertraf alle ihre Vorstellungen. Die Wandbehänge, Vorhänge, Fußschemel, Diwankissen und sogar die Fußmatten waren mit rosa, weißen und schwarzen Perlen besetzt. Und auf einem thronartigen, ebenfalls mit Hunderten von Perlen verzierten Sessel erwartete sie eine Frau, deren Gewänder mit so vielen Perlen bestickt waren, dass sie aussah, als wäre sie von einem Schneesturm überrascht worden. Katharina hatte an einem Menschen noch nie so viele Perlen gesehen. Wie konnte diese Frau unter ihrem Gewicht überhaupt laufen? Safiyas Augen waren so hart und starr wie ihre kostbaren Perlen.
Unverblümt taxierte sie die Hilfsnäherin mit einem unergründlichen Blick, und Katharina musste sich sehr zusammennehmen, um nicht nervös zu werden oder zurückzustarren.
Die Lider Safiyas waren so dick mit schwarzem Kajalstift umrandet, dass man von den Augen selbst eigentlich nicht mehr viel sah, und auf die Lippen hatte sie so viel Rot aufgetragen, dass der Eindruck entstand, sie hätte Marmelade gegessen und danach versäumt, sich den Mund abzuwischen. Mit aller Schminke ließ sich nicht überdecken, dass die Lieblingskonkubine des Sultans überraschend alt war – Katharina hatte gehört, dass Safiya schon auf die vierzig zuging. Wie seltsam, dass der Sultan diese Frau immer wieder zu sich holte, wenn er die Wahl zwischen hundert gerade eben geschlechtsreifen Mädchen hatte. Safiyas Schwangerschaft war schon weit fortgeschritten. Ihre Stimme klang scharf und schneidend wie ein Krummsäbel. »Seit einiger Zeit besuchst du Asmahan. Aus welchem Grund?« Katharina versuchte ihr Zittern zu unterdrücken.
»Sie schätzt meine Stickereien, Herrin.«
»Ich finde deine Arbeiten mittelmäßig. Asmahan hat keinen Geschmack.« Die schwarz geränderten Augen durchbohrten sie.
Katharina schlug das Herz bis zum Hals. »Warum zitterst du so, Mädchen?«
»Ich war noch nie…« – Katharina befeuchtete sich ihre trockenen Lippen – »in so erhabener Gesellschaft, Herrin. Es ist, als würde ich zu einer Göttin aufblicken.«
Katharina hatte keine Ahnung, wer ihr diese Worte eingeflüstert hatte, jedenfalls zeigten sie Wirkung. Die Sultanin schien eine Spur zugänglicher zu werden, sogar eine so hoch im Rang stehende Frau war für Schmeicheleien nicht unempfänglich. »Ich habe einen Auftrag für dich«, sagte sie ohne Umschweife. »Wenn du deine Sache gut machst, erfülle ich dir jeden Wunsch.«
Katharina konnte ihr Erschrecken kaum verbergen. »Was begehrt Ihr, Herrin?«
»Du wirst Asmahan ausspionieren. Beobachte, was sie tut und wen sie sieht, und hör gut zu, was geredet wird. Dann berichtest du mir. Verstanden?«
»Ja, Herrin. Gibt es etwas Besonde…«
»Alles will ich wissen«, fiel sie Katharina ins Wort. »Erzähl mir alles, was dort vor sich geht. Ich entscheide, was wichtig ist und was nicht.« Sie fasste Katharina scharf ins Auge und sagte dann:
»Vielleicht fühlst du dich Asmahan gegenüber irgendwie verpflichtet. Das soll deine eigene Sache sein. Aber lass dich dadurch nicht hindern, meinen Auftrag auszuführen. Damit du nicht wankend wirst, denk an mein Versprechen: Ich erfülle dir jeden Wunsch, wenn mir deine Berichte gefallen.«
Die Sultanin seufzte
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