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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erwartet hätte. Hier leben sie in Luxus und genießen Freiheit, jedenfalls innerhalb dieser Mauern. Und diejenigen, die nicht glücklich sind, haben sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Außerdem habe ich dich gewählt«, fügte sie hinzu, während sie die Arme hob, ihren Schleier zurückschlug und ihr goldenes Haar zeigte, »weil du hellhäutig und blond bist wie ich. Bulbul könnte dein eigenes Kind sein.«
    Katharina staunte über Asmahans Haarpracht, deren Farbe ihrer eigenen so ähnelte. Blondinen waren im kaiserlichen Harem nichts Ungewöhnliches, aber da blonde Haare als Zeichen von Schwäche und mangelnder Leidenschaftlichkeit galten, unterzogen sich ihre Besitzerinnen großen Mühen, um ihre Haare rot zu färben.
    »Ich würde Euch den Gefallen gern tun, Herrin, denn Ihr habt Recht, ich möchte fort von hier. Aber ich kann Euren Wunsch nicht erfüllen.«
    Perfekt nachgezogene Augenbrauen schossen in die Höhe. »Aus welchem Grund? Du willst hier doch nicht bleiben, oder?«
    »Nein, das will ich wahrhaftig nicht«, antwortete Katharina mit tiefer Inbrunst. »Ich bin auf der Suche nach meinen Angehörigen.
    Wie Ihr wurde ich vor langem von meiner Familie getrennt, ich habe meinen Vater und meine Brüder nie gesehen und sehne mich danach, sie kennen zu lernen.«
    Asmahan nickte ernst. »Die Trennung von der eigenen Familie ist sehr leidvoll. Deshalb muss Bulbul zu seinem Clan gebracht werden. Aber warum willst du das nicht für mich tun?«
    »Es gibt da einen Mann, einen christlichen Ritter, der mit mir nach Konstantinopel verschleppt wurde. Ohne ihn kann ich nicht fort.«
    Asmahan runzelte die Stirn. »Christliche Ritter überleben hier nicht lange. Er ist sicher längst gefoltert und getötet worden, Gott sei ihm gnädig.«
    »Aber ich habe keine Gewissheit darüber. Ich kann Konstantinopel nicht verlassen, wenn ich nicht weiß, was aus Adriano geworden ist. Und wenn er noch lebt, dann muss er mit mir kommen.« Asmahan dachte nach. »Ich werde Erkundigungen einziehen«, sagte sie.
    »Darf ich noch eine weitere Gunst von Euch erbitten, Herrin? Als ich zum Palast gebracht wurde, hatte ich das wenige, das ich noch besaß, bei mir: eine Ledertasche mit Erinnerungsstücken, die mir viel bedeuten. Diese Tasche wurde mir weggenommen. Seid Ihr vielleicht in der Lage, sie für mich wiederzufinden?« Asmahan sah sie zweifelnd an. »Die Besitztümer der Gefangenen gelten im Allgemeinen als zu belanglos für den Sultan und seinen Hofstaat, als dass man sich damit abgäbe; in der Regel werden sie den Sklavenhändlern überlassen oder aber als milde Gaben des Sultans an die Armen der Stadt verteilt. Ich werde sehen, was ich tun kann –
    alles liegt in Gottes Hand.«
    Dann schlug sie einen warnenden Ton an: »Und nun hör mir gut zu. Unser Vorhaben ist gefährlich. Es gibt überall Spione hier. Die Sultanin beobachtet mich. Als meine Vertraute bist du jetzt nicht mehr in Sicherheit; du musst stets auf der Hut sein. Komm morgen Abend wieder und bring dein Stickzeug mit.«
    Bei Katharinas nächstem Besuch in den Gemächern Asmahans lag Bruder Pastorius’ Ledertasche wie durch ein Wunder auf dem Diwan. Katharina stürzte sich sofort darauf und öffnete sie. Das Miniaturgemälde der heiligen Amelia war immer noch da, ebenso die Keramikscherbe mit Torbach.
    Katharina drückte ihre Schätze an ihr Herz und sagte unter Tränen: »Gott segne Euch, Herrin. Ihr habt mir meinen Lebensmut wiedergeschenkt.«
    Aus Rücksicht auf Katharinas Gefühle verschwieg ihr Asmahan lieber, dass ihre Schätze so unbedeutend waren, dass sie niemand hatte haben wollen, nicht einmal die Bettler, die in das vom Sultan gestiftete Hospital kamen, um sich dort eine Kleiderspende und einen Becher medizinischen Weins abzuholen. Doch sie verstand Katharina nur zu gut: Hätte sie doch ihr ganzes Gold und alle ihre Juwelen dafür gegeben, ein Schafsfell aus der großen Herde ihres Vaters unter ihren Fingern zu spüren.
    Danach ging Katharina jeden Abend mit ihrer Sticktasche zu Asmahan, vorgeblich, um eine Stickerei für die Konkubine anzufertigen, in Wirklichkeit aber, um sich mit dem kleinen Bulbul anzufreunden, einem pausbäckigen, gutmütigen Blondschopf, der, wenn der schreckliche Moment gekommen wäre, bereitwillig mit seiner neuen Mutter ziehen müsste.

    Es war ein kühler, wolkenverhangener Vormittag, ein leichter Nieselregen fiel auf Konstantinopel. Die Gewandmeisterin eilte in den Taubenpavillon, wo ihre Helferinnen ein Kleid für die Glückliche

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